Nacht ohne Ende
Ehefrau von inoperablem Bauchspeicheldrüsenkrebs befallen wurde.
Weder er noch seine brillanten Kollegen konnten die rapide Ausbreitung des Karzinoms aufhalten. Innerhalb von wenigen Wochen nach der Diagnose war seine Ehefrau bereits ans Bett gefesselt. Sie entschied sich für aggressive Chemotherapie und Bestrahlung, aber die Nebenwirkungen waren fast genauso tödlich wie die Krankheit, die durch diese Behandlungsmethoden besiegt werden sollte. Ihr Immunsystem wurde schwächer; sie bekam eine schwere Lungenentzündung. Eines nach dem anderen begannen ihre Organsysteme nachzulassen und schließlich zu versagen.
Da sie nicht wollte, dass ihre Sinne durch schmerzlindernde Mittel betäubt wurden, lehnte sie jede Schmerzmedikation ab. Während der letzten paar Tage ihres Lebens wurde ihr Leiden jedoch so unerträglich, dass sie sich schließlich mit einem schmerzstillenden Betäubungsmittel einverstanden erklärte, das sie sich selbst durch intravenöse Zufuhr verabreichen konnte.
Alles das hatte Tiel durch Hintergrundrecherchen erfahren. Dr. Stanwick hatte jedoch erst nach dem Tod seiner Ehefrau in der Öffentlichkeit von sich reden gemacht. Bis sie starb, waren die beiden nur Bestandteil einer traurigen Statistik gewesen, die Opfer einer heimtückischen Krankheit.
Aber im Anschluss an die Beerdigung hatten die verärgerten Schwiegereltern Krach zu schlagen begonnen, mit der Behauptung, dass ihr Schwiegersohn das Hinscheiden seiner Frau womöglich beschleunigt hätte. Speziell deshalb, weil er es ihr ermöglicht hatte, sich selbst zu töten, indem er die Dosierung bei dem Selbstverabreichungsmechanismus so hoch eingestellt hatte, dass sie tatsächlich einer tödlichen Menge von Narkotika erlegen war. Sie behaupteten, der beträchtliche Nachlass seiner Frau habe ihn dazu verleitet, die Dinge ein wenig voranzutreiben.
Tiel war von Anfang an überzeugt gewesen, dass die Anschuldigungen Unsinn waren. Es hatte von vornherein festgestanden, dass Mrs. Stanwicks Lebenserwartung nur noch einige wenige Tage betrug. Ein Mann, der ein Vermögen erben sollte, konnte es sich also leisten, in Ruhe abzuwarten, bis die Natur ihren Lauf nahm. Außerdem war Dr. Stanwick selbst vermögend, obwohl er einen großen Teil seines Einkommens wieder in die onkologische Klinik steckte, um das Geld für Forschungszwecke und die Behandlung bedürftiger Patienten zu verwenden.
Selbst wenn er den Tod seiner Ehefrau tatsächlich durch die hohe Dosierung des Betäubungsmittels bewusst herbeigeführt hatte, war Tiel nicht bereit, den ersten Stein zu werfen. Die kontroverse Diskussion um das Thema Sterbehilfe hatte sie in ein moralisches Dilemma gebracht, für das sie keine befriedigende Lösung wusste. Wenn es um dieses heikle Thema ging, neigte sie dazu, dem am wenigsten leidenschaftlichen Sprecher zuzustimmen.
Aber streng vom praktischen Standpunkt aus betrachtet zweifelte sie stark daran, dass Bradley Stanwick um seiner geliebten Ehefrau willen seinen guten Ruf riskiert hätte.
Zu seinem Pech hielten seine Schwiegereltern beharrlich an ihren Behauptungen fest, bis der Bezirksstaatsanwalt eine Untersuchung anordnete - die sich als Vergeudung von Zeit und Arbeitskraft erwies. Es wurden keinerlei Beweise gefunden, um die Beschuldigungen der Verwandten zu erhärten. Nichts ließ darauf schließen, dass Dr. Stanwick irgendetwas getan hatte, was zum vorzeitigen Tod seiner Ehefrau geführt hätte. Der Bezirksstaatsanwalt lehnte es sogar ab, den Fall dem Großen Geschworenengericht vorzutragen, mit der Begründung, dass es keinen wie auch immer gearteten Grund dafür gäbe.
Dennoch war die Story damit nicht zu Ende. In den Wochen, während der die Ermittlungsbeamten Dr. Stanwick, seine Kollegen und Mitarbeiter, seine Freunde, Familienangehörigen und ehemaligen Patienten vernahmen, wurde jeder einzelne Aspekt seines Lebens eingehend untersucht und diskutiert. Er lebte unter einem Schatten des Verdachts, der besonders beunruhigend war, da die Mehrzahl seiner Patienten als unheilbar krank galt.
Die Klinik, in der er praktizierte, fand sich bald darauf ebenfalls im Rampenlicht der Öffentlichkeit wieder. Statt hinter ihm zu stehen, beschloss die Krankenhausverwaltung einstimmig, ihm seine Privilegien in der Einrichtung zu entziehen, bis sein Name von jedem Verdacht reingewaschen war. Doch Bradley Stanwick war kein Narr, und er wusste, er würde niemals von jedem Verdacht gereinigt sein. Wenn erst einmal die Saat des Zweifels im Bewusstsein der
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