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Nacht ohne Ende

Nacht ohne Ende

Titel: Nacht ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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ausgesehen«, erklärte sie und wandte sich wieder ab, um ihre Vorderseite zu verbergen. Ihr Bluse war steif von der getrockneten, mit Blut vermischten Flüssigkeit gewesen, die in den Stoff eingesickert war, als sie das Neugeborene zuerst an ihre Brust gedrückt hatte. Doc hatte sich mit Ronnie beratschlagt, und so hatte Tiel den Augenblick der Ungestörtheit ausgenutzt, um ihre Bluse auszuziehen und sich zu waschen. Er war zurückgekehrt, bevor sie damit gerechnet hatte. »Ich dachte, ich sollte mich ein bisschen säubern, bevor ich vor der Kamera erscheine.«
    Sie warf das Erfrischungstuch weg und griff nach dem überzähligen T-Shirt, das sie zuvor von dem Ständer genommen hatte. Nachdem sie es übergestreift hatte, drehte sie sich zu Doc herum und breitete die Arme aus. Auf der Vorderseite des T-Shirts war die Fahne des Staates Texas aufgedruckt, darunter das Wort Heimat. »Nicht direkt das, was man unter Haute Couture versteht«, meinte sie bedauernd.
    »In dieser Gegend schon.« Er sah kurz nach Sabra, dann kehrte er wieder zu Tiel zurück, die sich inzwischen auf den Boden gesetzt hatte und mit dem Rücken gegen die Tiefkühltruhe lehnte. Sie reichte ihm eine Flasche Wasser. Er trank ohne Bedenken nach ihr aus der Flasche.
    »Wie geht es ihr? Etwas besser?«
    Doc nickte zögernd, aber seine Stirn war vor Besorgnis gefurcht. »Sie hat eine Menge Blut verloren. Es ist etwas geronnen, aber der Dammriss müsste dringend genäht werden.«
    »Ist in der Arzttasche kein Nahtmaterial?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe schon nachgesehen. Daher ist die Infektionsgefahr ziemlich groß, obwohl die Blutung inzwischen nachgelassen hat.«
    Sabra und das Baby schliefen. Nach Tiels Telefongespräch mit Agent Calloway, um die Videoaufzeichnung in die Wege zu leiten, hatte Ronnie wieder seinen Posten eingenommen. Die beiden Mexikaner und Cain waren diejenigen, auf die er ein besonders wachsames Auge hatte. Er beobachtete sie misstrauisch. Vern und Gladys dösten, die Köpfe aneinander gelehnt. Donna blätterte in einer Boulevardzeitschrift, fast so, wie sie es in jeder anderen Nacht tun würde, wenn die Geschäfte schleppend gingen. Im Moment war alles ruhig.
    »Was ist mit dem Baby?«, fragte Tiel Doc.
    »Die Kleine behauptet sich ganz gut.« Er hatte Katherines Brust mit dem Stethoskop abgehorcht, das sich in der Arzttasche befunden hatte. »Ihr Herzschlag ist kräftig. Die Lungen scheinen in Ordnung zu sein. Aber mir wird trotzdem sehr viel wohler sein, wenn sie auf einer Neugeborenenstation ist und fachmännische Pflege bekommt.«
    »Vielleicht wird es nicht mehr lange dauern. Mein Freund Gully leitet unseren Nachrichtenbetrieb. Er weiß nun schon seit mehreren Stunden, dass ich unter den Geiseln bin. Ich bin mir fast sicher, dass unser Sender bereits ein Aufnahmeteam hergeschickt hat. Calloway überprüft das gerade, und er hat mir versprochen, mich so schnell wie möglich zurückzurufen. Ich baue fest auf die Wirksamkeit des Videos. Es wird bald vorbei sein.«
    »Hoffentlich«, erwiderte Doc, während er erneut einen besorgten Blick auf die junge Mutter und das Baby warf.
    »Sie haben fantastische Arbeit geleistet, Doc.« Er sah Tiel argwöhnisch an, als wartete er darauf, dass jetzt die schlechte Nachricht kommen würde. »Ich meine das ganz aufrichtig. Sie sind sehr gut. Vielleicht hätten Sie sich statt für Onkologie für Geburtshilfe oder Kinderheilkunde entscheiden sollen.«
    »Ja, vielleicht hätte ich das tun sollen«, sagte er grimmig. »Ich hatte keine besonders hohen Erfolgsquoten bei meinem Kampf gegen den Krebs.«
    »Sie hatten ausgezeichnete Erfolgsquoten. Weit über dem Durchschnitt.«
    »Na ja, das schon...«
    Na ja, das schon, aber ich konnte nicht den einen Menschen heilen, der wirklich für mich zählte. Meine eigene Frau, beendete Tiel in Gedanken den Satz für ihn. Es wäre sinnlos zu argumentieren, wie lobenswert seine Anstrengungen im Kampf um die heimtückische Krankheit gewesen waren, wenn ihn seiner eigenen Ansicht nach dieses eine Todesopfer den Sieg gekostet hatte.
    »Was hat Sie dazu bewogen, sich für Onkologie zu entscheiden?«
    Zuerst schien es so, als würde er nicht antworten. Schließlich sagte er: »Mein jüngerer Bruder ist an einer bösartigen Vergrößerung der Lymphknoten gestorben, als er neun war.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Es liegt schon lange zurück.«
    »Wie alt waren Sie damals?«, fragte Tiel.
    »Zwölf, dreizehn.«
    »Aber sein Tod hat einen bleibenden Eindruck

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