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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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genommen und ihm dann gesagt, daß er sie doch lieber noch eine Weile behalten wolle. Er hat außerdem angedeutet, falls es irgendwelchen Ärger geben sollte – Anzeichen dafür, daß sich die Polizei einschaltete –, würde er sie in Stücken zurückschicken.«
      »Ein echter Sizilianer«, sagte ich. »Hat Hoffer denn eine Ahnung, wo der Kerl steckt?«
      »Irgendwo in dem Gebiet eines Berges namens Cammarata. Kennst du dich dort aus?«
      Ich lachte. »Die übelste Gegend, die der liebe Gott geschaffen hat. Eine Wildnis aus unfruchtbaren Tälern und steilen, spitzen Bergen. Es gibt Höhlen da oben, in denen sich schon vor zweitausend Jahren römische Sklaven versteckt haben. Glaube mir, wenn dieser Serafino sich in den Bergen auskennt, dann kann ihn die Polizei dort oben ein ganzes Jahr lang jagen, ohne auch nur ein Zipfelchen zu sehen zu kriegen. Und mit Hubschraubern richtet man in einer solchen Gegend nichts aus. Die Hitze am Tag schafft die seltsamsten Luft strömungen, es gibt zu viele Fallwinde.«
      »So schlimm ist das?«
      »Noch schlimmer, als du dir vorstellen kannst. Der größte aller Banditen, Guilano, hat in einem ähnlichen Gelände operiert, und sie konnten ihn nicht einmal mit zwei Divisionen fassen.«
      Er nickte bedächtig. »Könnten wir es schaffen, Stacey? Du und ich und meine Leibwache?«
      Ich überlegte. Ich dachte über die Cammarata nach, über die Hitze und die Lavafelsen und über Serafino, der das Mädchen vielleicht schon an seine Leute weitergereicht hatte. Es war nicht etwa so, daß dieser Gedanke mich krank machte oder zornig – was ich über die ehrenwerte Joanna Truscott gehört hatte, ließ darauf schließen, daß ihr die Sache vielleicht sogar Spaß machte. Ich glaube ganz ehrlich, daß ich nicht einmal an meinen Anteil an dem Geld dachte. Es steckte mehr dahinter – es ging tiefer –, es war eine persönliche Sache zwischen mir und Burke, die ich in diesem Augenblick nicht einmal mir selbst hätte erklären können.
      »Ja, ich glaube, das ginge. Wenn ich mitmache, besteht zumindest eine Möglichkeit.«
      »Dann wirst du also mitkommen?«
      Er beugte sich voll Eifer vor und legte mir die Hand auf die Schulter, aber so schnell ließ ich mich nicht einfangen.
      »Ich werde es mir überlegen.«
      Er lächelte nicht und zeigte keinerlei Gefühlsregung, aber die Spannung tröpfelte aus ihm heraus wie schmutziges Wasser. Innerhalb einer Sekunde verwandelte er sich in den Sean Burke, den ich immer schon gekannt hatte.
      »Guter Junge, bis später dann in der Villa.«
      Ich sah ihm nach, wie er den Pfad hinaufstieg und ver
    schwand. Im Augenblick hatte ich genug vom Schießen. Das Meer sah einladend aus. Ich ging noch ein Stück den Strand entlang, zog mich aus und watete hinein.
      An dieser Stelle gingen die steilen Klippen in sanfte, spärlich mit Gras bewachsene Hänge über. Überall wucherten wilde Blumen. Ich kletterte ein Stück hinauf und legte mich auf den Rücken. Die Sonne brannte mir warm auf die nackte Haut, und ich visierte eine Wolke an. Dabei entspannte ich mich vollkommen, dachte an nichts mehr – das war auch ein Trick, den ich in den Monaten im Gefängnis gelernt hatte.
      Die ganze Welt war eine blaue Glocke, in der ich schwebte. Ich lag dösend im duftenden Gras und schlief schließlich ein.

    Das Erwachen war eine Rückkehr in die drückende Stille. Ich sah die Blumen, das Gras, das in Augenhöhe zu einem dichten Dschungel wurde, die Frau, die mich aus einer Entfernung von wenigen Schritten beobachtete. War das ein zufälliges Zusammentreffen, oder hatte Burke sie geschickt? Ich wurde nicht einmal zornig, sondern dachte nüchtern und kühl nach. Ich beobachtete sie unter halbgeschlossenen Augen und tat, als schliefe ich noch. Sie blieb etwa zwei oder drei Minuten mit völlig ausdruckslosem Gesicht da stehen, dann ging sie leise weg.
      Als sie verschwunden war, setzte ich mich auf, zog mich an und ging mit dem Gefühl wachsender innerer Erregung zum Strand zurück. Die ganze Sache war gewissermaßen zu einem Spiel geworden, in dem Burke schon den nächsten Zug tat, sobald ich den einen gekontert hatte.
      Die Karten lagen noch da, wo ich sie zurückgelassen hatte, daneben lag meine Schachtel Munition. Als ich meinen Schießstand aufsuchte, fühlte ich mich sicherer als jemals zuvor. Ich zog, schoß und lud noch in derselben Sekunde nach. Ich war wieder der alte Stacey aus der Zeit vor dem Loch – und doch

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