Nacht ohne Erbarmen
teilgenommen, bei denen die Torwächter bewaffnet herumliefen. Nicht nur auf Sizilien gab es neurotische reiche Leute, die davor Angst hatten, daß ihnen jemand etwas wegnehmen könnte.
Andererseits schien Hoffer tatsächlich ganz sicherzugehen. Unser Fahrer, ein stämmiger Sizilianer normannischer Herkunft mit ingwerfarbenem Haar trug ein Schulterhalfter, das sich unter seiner engsitzenden Chauffeursuniform nur allzu deutlich abzeichnete.
Ein Duft von Glyzinien lag in der Luft, und auf der anderen Seite des Fahrwegs sah ich dicht an dicht die herrlichen pur purroten Blüten. Der ganze Prunk des Mittelmeers breitete sich aus mit sorgfältig verteilten Palmen, die genau zur jeweiligen Aussicht paßten, und doch war gerade diese Harmonie ein wenig beunruhigend. Alles wirkte etwas zu perfekt, zu geplant. Innerhalb möglichst kurzer Zeit mußte ein bestimmtes Ergebnis erzielt werden. Es war ein Garten aus der Retorte.
Der Mercedes bremste auf der kiesbestreuten Auffahrt vor dem Haupteingang, und zwei Hausdiener kamen uns entgegen, um das Gepäck zu nehmen. Als sie damit die Stufen hinaufeilten, trat eine Frau aus der Tür und sah zu uns herunter.
Sie war klein, dunkelhaarig und hatte eine Figur, die man nur als reif bezeichnen konnte. Sie war durch und durch Sizilianerin, und meiner Schätzung nach etwa zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig Jahre alt, auch wenn sie, wie das bei Frauen im Süden oft der Fall ist, etwas älter wirkte. Sie trug eine Reithose aus schwarzem Leder, eine weiße, unter der Brust geknotete Seidenbluse und einen breiten, spanischen Hut.
»Und wer soll das sein?« fragte Pete.
»Hoffers Freundin. Ich will mal die Lage peilen.«
Burke ging die Stufen hinauf und sprach ein paar Worte mit ihr. Als ich zu ihnen trat, erstarb die Unterhaltung.
»Hoffer ist im Augenblick nicht hier«, sagte Burke zu mir. »Er mußte gestern abend geschäftlich nach Gela, aber am Nachmittag kommt er wieder zurück. Ich möchte dich mit Signorina Rosa Solazzo bekannt machen. Rosa, das ist mein guter Freund Stacey Wyatt.«
Ihr Englisch war ausgezeichnet. Sie reichte mir kurz die Hand, nahm aber nicht die Sonnenbrille ab. »Es ist mir ein Vergnügen, Mr. Wyatt. Ich habe schon viel von Ihnen gehört.«
Das konnte stimmen oder auch nur eine oberflächlich höfliche Bemerkung sein. Hoffer war wohl nicht der Mann, der eine vertraute Ratgeberin brauchte, und so wie sie aussah, erschien es mir als wahrscheinlicher, daß sie ihm lediglich als Verkürzung der langen, schlaflosen Nächte diente.
Sie drehte sich zu Burke um. »Die Zimmer sind schon fertig. Die Diener werden Sie gleich hinaufbringen. Sie wollen vermutlich duschen und sich umziehen, deshalb werde ich das Essen in einer Stunde anrichten lassen.«
Damit ging sie. Wir folgten dem Hausdiener durch eine große, kühle Halle, wo alle Gegenstände in Gold und Grün zu schwimmen schienen, und dann eine kurze Treppe hinauf bis in die zweite Etage des Gebäudes.
Pete und Legrande bekamen gemeinsam ein Zimmer, aber Burke und mir wurde die Ehre separater Zimmer zuteil.
Mein Zimmer war lang und schmal. Eine Wand bestand aus gläsernen Schiebetüren, die auf einen Balkon über den Garten hinausführten. Die englischen Möbel zeugten von einem ausgezeichneten Geschmack, und der Teppich war so dick, daß er jeden Schritt schluckte. Dann probierte ich die andere Tür und fand dahinter mein Bad.
Der Hausdiener legte meinen Koffer auf das Bett und ging. Ich drehte die Dusche auf. Als ich ins Schlafzimmer zurückkam, stand Burke am Fenster.
Er brachte ein Lächeln zustande. »So läßt sich's leben, wie?«
»Hm. Ich weiß nicht, was du vorhast, aber ich möchte jetzt duschen.«
Er war offenbar darauf bedacht, es mir recht zu machen, und ging sofort zur Tür. »Gute Idee, wir sehen uns in einer
Stunde.«
Aber ich hatte etwas anderes vor. Ich stand ungefähr eineinhalb Minuten unter dem eiskalten Wasser, dann zog ich mir ein sauberes Hemd und den leichten blauen Tropenanzug an. Eine goldgerandete Sonnenbrille vervollständigte meine Ausrüstung.
Bei dem Revolver zögerte ich, aber schließlich waren wir in Sizilien. Ich befestigte das Halfter mit der Feder auf der rechten Seite meines Gürtels, verließ rasch das Zimmer und ging nach unten.
Es schien niemand in der Nähe zu sein. Ich blieb eine Weile auf der obersten Stufe der Haupttreppe stehen. Der Mercedes war noch da, der Fahrer lederte
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