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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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d'Oro‹ wie ein Turm in den Himmel. Ein interessanter Berg, ebenso blutgetränkt und geschichtsträchtig wie das übrige Sizilien.
      In den Punischen Kriegen verteidigte ihn Hamilcar drei Jahre lang gegen die Römer, aber in neuerer Zeit wurde er haupt sächlich wegen des Kults der Santa Rosalia berühmt, nach der auch meine Mutter genannt worden war.
      Die Villa meines Großvaters lag am Fuß des Berges am Rand des Dorfes Valdesi.
      Ich glaube, wenn man es sich richtig überlegt, hatte er einen langen und schweren Weg hinter sich. Er war in Velba zur Welt gekommen, einem Dorf in Westsizilien, deprimierend und typisch für dieses Gebiet. Das Dorf war ein Misthaufen, auf dem die meisten Kinder schon im ersten Lebensjahr starben, und das Leben glich ungefähr den Zuständen, die im Mittelalter in England geherrscht hatten.
      Sein Vater war Pächter gewesen und hatte sich nur mit Mühe seinen kargen Lebensunterhalt verdient. Von seinen frühen Jahren wußte ich nur wenig, aber mit dreiundzwanzig war er schon Gabellotto, eine Mischung aus Steuereinnehmer und Grundstücksagent, dessen Aufgabe darin bestand, die Pächter schön kleinzuhalten.
      Diesen Posten konnte nur ein Mafioso bekommen. Sein Aufstieg mußte also schon sehr früh begonnen haben. Gott allein weiß, was dazwischen geschehen war – vielleicht ein Mord oder auch mehrere, denn das war die übliche Methode, mit der ein junger Mann in der ›ehrenwerten Gesellschaft‹ seinen Weg machte.
      Vielleicht arbeitete er sogar einige Zeit als Sicario, als gedungener Mörder, aber das bezweifelte ich. Es paßte einfach nicht zu ihm – zu seiner sehr individuellen Auffassung von dem, was ehrenhaft war und was nicht. So erfüllte ihn zum Beispiel der Gedanke, mit der Prostitution Geld zu verdienen, mit Abscheu, weil er an die Heiligkeit der Ehe glaubte und die Kirche mit reichen Spenden unterstützte. Andererseits hatte seine Organisation im Laufe der Jahre so viele Menschen ge tötet, daß in manchen Orten der Mord etwas Alltägliches war.
      Im Scheinwerferlicht sahen wir zwei alte Frauen, hochbeladen mit Körben, uns entgegenkommen.
      »Was, zum Teufel, soll das denn?« fragte Burke.
      »Sie kommen zum morgigen Markt.«
      »Jetzt, am späten Abend?«
      »Nur so können sie sich einen guten Standplatz sichern.«
      Er schüttelte den Kopf. »Was für ein verdammtes Land!«
      Ich sah hinunter auf die Lichter der Stadt. »Das da ist ein Sizilien, aber draußen in der Dunkelheit liegt noch ein anderes. Ein Schlachthof seit vielen Generationen. Die Kornkammer des Römischen Reiches, die sich ausschließlich auf Sklavenarbeit stützte. Seitdem sind die Menschen immer von diesem oder jenem ausgebeutet worden.«
      »Das Ganze begreife ich eigentlich nicht«, sagte er. »Die Sache mit der Mafia. Ich dachte, das gehört der Vergangenheit an.«
      »Ich kenne einen Ort, in dem es innerhalb von vier Jahren über hundertfünfzig Morde gegeben hat – ein Städtchen von nicht ganz zwanzigtausend Einwohnern. Du wirst auf der ganzen Welt keinen Ort von vergleichbarer Größe finden, der da mithalten kann.«
      »Aber warum?« fragte er. »Das verstehe ich nicht.«
      »Die Leute spielen dauernd irgendein Spiel, ist dir das noch nicht aufgefallen?«
      »Jetzt kann ich dir nicht folgen.«
      Ich hätte ihm sagen können, daß er sein Leben lang Soldat gespielt hatte – sogar im Kongo –, aber das wäre sinnlos gewesen. Er hätte nicht begriffen, wovon ich redete, und ich
    hätte ihn nur unnötig vor den Kopf gestoßen.
      »Sagen wir einmal so: In den Vororten von Los Angeles oder London bietet der Konkurrenzkampf, das Streben und Bemühen auf geschäftlichem Gebiet, oder vielleicht auch eine kleine Affäre mit der Frau eines anderen den dramatischen Beigeschmack, den jeder im Leben braucht.«
      »Was soll das beweisen?«
      »Nichts Besonderes. Auf Sizilien wird ein älteres Spiel gespielt, und ein grausameres dazu. Das Ritual der Vendetta – Auge um Auge, Zahn um Zahn – nicht mehr und nicht weniger. Außenstehenden kommen die Spielregeln ein wenig barbarisch vor. Wir küssen die Wunden unserer Toten, be netzen unsere Lippen mit ihrem Blut und sagen: Mögen wir auf diese Weise das Blut desjenigen trinken, der dich getötet hat.«
      Schon der Gedanke daran weckte in mir etwas zum Leben – es war eine Kälte, als ob eine Schlange ihren Kopf erhob.
      »Du sagtest wir«, bemerkte Burke. »Schließt du dich da

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