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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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zückte die Brieftasche, holte ein Foto heraus und gab es mir. »Das habe ich durch einen Bekannten bei der Polizei bekommen. Unser lieber Freund war schon mehr als einmal dort.«
      Es war ein typisches Polizeifoto, wie man es auf der ganzen Welt findet: Der Abgebildete wurde zu einer Art Neandertaler gemacht, dem man es schon von weitem ansah, daß er zu Vergewaltigung und Mord und vielen Dingen dazwischen imstande war.
      Ich schüttelte den Kopf. »Davon habe ich nichts. Wie war er denn? Beschreiben Sie ihn.«
      »Fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig, mittelgroß, dunkles Haar – langes, dunkles Haar.« Das schien ihm nicht zu gefallen. »Eines dieser finsteren Gesichter, wie man sie hier überall findet – angeblich ist das noch arabisches Blut aus den Sarazenentagen. Ein typischer Sizilianer.«
      »Das könnte meine Beschreibung sein«, sagte ich.
      »Wie Sie wollen«, sagte er gleichmütig. »Nachdem das Foto
    gemacht worden war, hat er ein Auge verloren, und er lachte sehr viel. Er hat die ganze Geschichte offenbar als Riesenspaß angesehen.«
      Auch das schien ihm nicht zu passen. Seine Rechte ballte sich zur Faust.
      »Ich glaube, man sollte in Bellona beginnen«, sagte ich.
      Hoffer sah mich überrascht an. »Ob das wohl eine gute Idee
    ist? Ich hatte den Eindruck, daß die meisten Dorfbewohner in diesem Gebiet Leuten wie Serafino in die Hand arbeiten.«
      Ich sah Burke an. »Du spielst den Touristen. Ich bin dein Mietwagenfahrer.«
      Er nickte. »Einverstanden.«
      Ich wandte mich wieder an Hoffer. »Aber nicht den Mercedes, sondern ein unauffälligeres Fahrzeug. Geht das?«
      »Natürlich. Brauchen Sie sonst noch etwas?«
      »Ja. Erzählen Sie mir etwas über das Mädchen.«
      Er sah mich leicht verwirrt an. »Joanna? Hat Ihnen der Oberst nicht schon alles gesagt, was Sie wissen müssen?«
      »Ich möchte von Ihnen alles hören, was es über sie zu wissen
    gibt. Bei einer solchen Angelegenheit ist es wichtig, über alle Beteiligten möglichst genau Bescheid zu wissen. Auf diese Weise kann man sich im voraus ein Bild darüber machen, wie sie in einer bestimmten Situation reagieren werden.«
      Das leuchtete ihm ein. »Sehr vernünftig. Gut – wo soll ich anfangen?«
      »Am besten da, als Sie sie kennengelernt haben.«
      Als er sie kennenlernte, war sie zwölf Jahre alt. Ihr Vater
    war zwei Jahre zuvor an Leukämie gestorben. Hoffer hatte sie und die Mutter zu Weihnachten in St. Moritz kennengelernt, und kurz danach wurde geheiratet. Diese Ehe dauerte bis vor vier Monaten, da war seine Frau bei einem Autounfall in Frankreich umgekommen.
      »Wenn ich es recht verstehe, war das Mädchen ziemlich eigenwillig«, sagte ich. »Das wurde vermutlich nach dem Tod der Mutter nicht besser.«
      Man merkte ihm den Kummer an. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und seufzte. »Wo soll man bei so etwas beginnen? Hören Sie, Wyatt, ich sag's Ihnen kurz und bündig. Als Joanna vierzehn Jahre alt war, erwischte ihre Mutter sie mit dem Chauffeur im Bett, und er war nicht der erste Mann. Seitdem hat es nichts als Ärger gegeben – ein mieser kleiner Skandal nach dem anderen.«
      »Warum kümmern Sie sich noch um sie?«
      Die Frage schien ihn zu überraschen. Dann legte er die Stirn in Falten, als sei ihm dieser Gedanke zum erstenmal gekommen. »Eine gute Frage. Es liegt gewiß nicht an einer übermäßigen Zuneigung. Sie taugt nichts, sie hat nie etwas getaugt, und ich glaube ganz ehrlich, daß sie auch nicht besser wird. Vielleicht ist das nicht ihre Schuld, aber so ist es nun einmal. Nein, im Grunde genommen bin ich es wohl meiner Frau schuldig. Sie war eine großartige Frau. Die sieben Jahre, die sie mir geschenkt hat, waren die schönsten in meinem Leben, Wyatt. Alles andere kann danach nur noch schal sein.«
      Das klang tatsächlich aufrichtig. Die Gegenwart von Rosa Solazzo änderte überhaupt nichts an meinem Urteil. Ich wäre der letzte gewesen, der es ihm verübelt hätte, daß er eine Frau um sich brauchte.
      »Etwas kommt mir rätselhaft vor«, sagte ich. »Ich kann verstehen, daß Sie nicht zur Polizei gehen wollen. In Sizilien schadet sie in solchen Fällen mehr als sie nützt. Aber ist Ihnen denn nie der Gedanke gekommen, sich an die Mafia zu
    wenden?«
    »Welchen Zweck hätte das?«
      Burke lachte. »Stacey hat sich nun einmal die Mafia in den Kopf gesetzt. Es gibt Gründe dafür, Mr. Hoffer.«
      Hoffer brachte ihn mit einer

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