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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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keineswegs ihren hübschen, jungen Körper miß braucht, wie Hoffer andeutete. Sie arbeiten für das Mädchen. Sie ist nur deshalb noch am Leben, weil sie hier oben bleibt. Das ist alles.«
      Ich erzählte ihm die ganze Geschichte in allen Einzelheiten, sogar den Verdacht des Mädchens bezüglich des Todes ihrer Mutter, und beobachtete ihn dabei eingehend. Als ich fertig war, stand er auf und starrte hinunter ins Wasser. Dann warf er eine Handvoll Steinchen hinein.
      »Damit wäre zumindest so manches erklärt. Kurz bevor wir gingen, hat Hoffer noch ein paar Worte mit mir gesprochen. Er sagte mir, er mache sich Sorgen, weil das Mädchen früher schon an einer Art von Geisteskrankheit gelitten hat. Sie sei ein paarmal erfolglos behandelt worden. Er sagte weiter, sie sei mannstoll, und die Geschichte hier mache ihr vermutlich auch noch Spaß. Er schien anzunehmen, daß sie nicht freiwillig mitgehen würde. Er sagte, sie könnte leicht hysterisch werden und die wildesten Anschuldigungen ausstoßen.« Er drehte sich zu mir um. »Bist du sicher, daß sie nicht…«
      Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe mit Serafino gesprochen. Er sagte, daß er dafür bezahlt worden sei, das Mädchen umzubringen, es sich dann aber anders überlegt habe, weil er Hoffer eins auswischen wollte. Er mag ihn nicht.«
      »Dieser Schweinehund.« Burke warf noch ein paar Steinchen ins Wasser. »Ich mag ihn auch nicht.«
      Damit war meine Hauptsorge behoben. Ich spürte deutlich, wie die Spannung in mir nachließ, und plötzlich empfand ich eine tiefe Zuneigung zu Burke, verbunden mit einem Schuld gefühl, weil ich auch nur entfernt an die Möglichkeit gedacht hatte, daß er einer solchen Tat fähig sein könnte.
      Er zog das zweitemal seine Zigarettenpackung hervor. Sie war leer, und er warf sie ins Wasser. Ich gab ihm eine von meinen Zigaretten. Als er sie anzündete, merkte ich, daß seine Hände zitterten. Er starrte ins Leere.
      »Mein Gott, was war ich für ein Narr! Ich wußte doch, daß an der ganzen Geschichte etwas nicht stimmte. Von Anfang an wußte ich es, und trotzdem ließ ich es geschehen.«
      »Warum, Sean?« fragte ich.
      »Ach, die Belohnung war nicht übel, und es war das einzige Angebot, mit dem ich rechnen konnte.« Er zuckte die Achseln. »Man ändert sich, wenn man alt wird, das wirst du auch noch feststellen. Dann greift man nach jedem Strohhalm, geht die falschen Risiken ein und schaut beiseite, wenn man es nicht sollte. Plötzlich spürt man, wie schnell die Jahre vergehen und daß man am Ende ist.«
      Der Zigarettenrauch kam ihm plötzlich in die falsche Kehle. Er beugte sich vor und rang krampfhaft nach Atem. Der Anfall war alles andere als angenehm. Ich legte ihm den Arm um die Schulter, und er lehnte sich hart an mich, während er sich fast die Lunge aus dem Leib hustete.
      Nach einer Weile kam er wieder zu Atem und lächelte matt. »Ist schon wieder gut.« Er klopfte sich auf die Brust. »Ich fürchte, die alten Lungen sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren.«
      Darin lag die Antwort auf viele andere Fragen.
      »Wie schlimm ist es eigentlich?«
      Er versuchte zu lächeln. »Schlimm genug.«
      Dann erzählte er es mir. Es war nicht Krebs, wie ich schon gedacht hatte, aber trotzdem genauso schlimm. Irgendeine seltene Krankheit, bei der sich eine Wucherung wie giftiges Kraut in den Lungen ausbreitete und ihn würgte. Es gab keine Heilung, und Medikamente konnten nur das unvermeidliche Ende noch eine Weile hinauszögern.
      Es wäre eine Untertreibung gewesen, wenn ich gesagt hätte, daß ich ein schlechtes Gewissen hatte. Mir war regelrecht übel. Es gab für mich keine Entschuldigung. Da ich diesen Mann genau kannte, hätte ich wissen müssen, daß es für sein abwegiges Benehmen eine logische Erklärung geben mußte.
      Mir fiel nichts weiter ein als der denkbar banalste Satz der ganzen Welt: »Es tut mir leid, Sean.«
      Er lächelte und klopfte mir auf die Schulter. »Schon gut, Stacey. Jetzt kommt es nur darauf an, was wir machen sollen.«
      Ich erzählte ihm von Joanna Truscotts Angebot. »Ich weiß nicht, was sie vorhat, aber auf diese Weise würde niemand etwas verlieren. Ich würde Hoffer auch gern eins auswischen.«
      »Ich auch«, sagte er leidenschaftlich. »Ich werde mit Pete und Legrande darüber reden.«
      Sie steckten die Köpfe zusammen und sprachen miteinander. Als sie zu mir herüberkamen, fiel mir auf, wie müde Legrande

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