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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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schon in die Deckung des gestürzten Baumstamms, weg aus der Schußlinie.
      Die UZI ließ kleine Dreckfontänen aufspritzen, die auf mich zuwanderten. Dann hörten sie abrupt auf, als das Magazin leer war. Ich sprang auf und rannte geduckt auf die Bäume zu.
      Mein rechter Arm schlenkerte nutzlos hin und her. Aus dem Loch in der Schulter spritzte das Blut. Ich empfand keine Schmerzen, dafür war der Schock noch zu groß. Schmerzen kamen immer erst später. Im Augenblick beherrschte mich nur ein einziger Gedanke: Ich wollte am Leben bleiben.
      So stolperte ich weiter. Hinter mir hörte ich die Schreie der Sterbenden, ein paar verwirrte Rufe und dann mehrere Geschosse, die unangenehm dicht an mir vorüberzwitscherten. Sie schlugen rings um meinen Kopf in die Zweige.
      Gleich darauf eröffnete die UZI wieder das Feuer. Jaeger bestrich damit das ganze Gelände von einer Seite bis zur anderen und schnitt eine Schneise ins Unterholz.
      Wenn ich blieb, wo ich war, hatte ich noch ein paar Sekunden zu leben – höchstens. Das genügte mir nicht, da es noch einige Rechnungen zu begleichen gab. Ich bog scharf nach rechts ab, zwängte mich durch die dichten Büsche und stürzte mich kopfüber ins Wasser.
      Die eisige Kälte war wunderbar und brachte mich wieder in Schwung. Ich kam nach oben, holte tief Luft und tauchte wieder.
      Wenn ich mich allein hätte auf mein Schwimmen verlassen müssen, wäre ich nicht weit gekommen. Meinen rechten Arm konnte ich nicht gebrauchen, aber die Strömung war stärker als erwartet. Sie packte mich mit eisernem Griff und zog mich vom Ufer weg. Als ich wieder auftauchte, fand ich mich mitten in der Strömung.
      Vom Ufer her hörte ich einen Schrei. Jaeger brach durchs Gebüsch. Er sprang bis an die Knie ins Wasser, und als er die UZI hob und abdrückte, stand Burke schon neben ihm. Ich tauchte wieder, und ein paar Augenblicke später gab es plötzlich eine heftige Erschütterung im Wasser. Die Luft wurde mir aus den Lungen gepreßt, und ich spürte, wie mich etwas hochhob.
      Ich sah Burke dastehen, merkte, wie sein Arm sich in weitem Bogen bewegte und wie dann die zweite Handgranate durch die Luft flog. Sie landete etwa einen Meter von mir entfernt. Die Strömung rettete mir das Leben. Sie zog mich wieder nach unten und spülte mich über die Felskante hinweg, bevor die Granate explodierte. Als es krachte, stürzte ich gerade sieben Meter tief in das untere Becken.
      An dieser Stelle war das Wasser etwa drei Meter tief. Ich berührte den Grund, tauchte wieder auf und ließ mich von der Strömung auf die andere Seite hinübertreiben. Ich landete sanft auf flachem, schwarzem Strand im Schutz überhängender Büsche.
      Im nächsten Augenblick war ich in ihrem Schutz verschwunden. Immer noch trieb mich jene phantastische Energiereserve an, die in uns allen steckt und nur dann zutage tritt, wenn man sich in wirklicher Gefahr befindet. Ich suchte mir die dichteste Stelle im Gebüsch aus, kroch hinein und blieb zitternd liegen.
      Ich entdeckte, daß ich den Smith & Wesson immer noch bei mir trug. Er war dank des Federhalfters nicht herausgefallen. Ich holte die Waffe ungeschickt mit der linken Hand hervor und blieb abwartend liegen. Im Wald war es jetzt still. Ich war in einer urtümlichen Welt ganz allein, und das Unterholz schloß mich von allen Seiten ein. Irgendwo in der Nähe sang süß ein Vogel, ein anderer antwortete ihm, dann hörte ich leises Stimmengemurmel.
      Diese Stimmen schienen aus einer anderen Welt an mein Ohr zu dringen und überhaupt nichts mit mir zu tun zu haben. Ich konnte jedenfalls kaum verstehen, was da gesagt wurde.
      Das einzige, was ich klar und deutlich verstand, war der Satz: »Kannst du irgendwo die Leiche entdecken?« Der rauhe, südafrikanische Akzent konnte nur Pete Jaeger gehören. Das zumindest hieß, daß man mich für tot hielt; vermutlich nahm man an, daß die zweite Handgranate mich erledigt hatte.
      Burkes Stimme antwortete etwas, dann wurde es wieder still. Ich lag auf dem Bauch, spürte, wie sich etwas in meine Rippen bohrte, und erinnerte mich an Rosas Abschiedsgeschenk. Mit den Zähnen schraubte ich die Feldflasche auf und setzte sie an die Lippen. Der Brandy rann mir wie flüssiges Feuer durch die Kehle und explodierte in meinem Magen mit warmer Glut.
      Ein einzelner Schuß ertönte. Vermutlich wurde ein Sterbender erledigt. Ich lag da und wartete. Mit jeder Minute wurden die Schmerzen in meinem Arm stärker.

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