Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
werden.«
      »Damit kommt man immer weiter.« Er stand auf, sah mich ruhig an, schnippte sich Zigarrenasche vom Rockaufschlag und rückte seinen Schlips zurecht. »Sie werden gleich hier sein. Ich schicke dir Marco mit einem Anzug herauf.«
      Die Tür schloß sich hinter ihm. Ich starrte eine Weile gedankenlos zur Decke empor, dann schwang ich meine Beine über die Bettkante, stand auf und versuchte zu gehen.
      Ich schaffte die wenigen Schritte zur Fenstertür und wieder zurück. Mir war jetzt ziemlich schwindelig, und meine Schulter tat verteufelt weh, wenn ich sie bewegte, aber bewegen konnte ich mich zumindest, und mehr verlangte ich nicht.
      Als Marco hereinkam, durchsuchte ich gerade die Schub laden der Kommode. Er ließ eine Wildlederjacke, eine Cordhose und ein weißes Hemd auf das Bett fallen und zog den Smith & Wessen hervor.
      »Suchst du das?«
      Er warf sie mir zu. Ich zog sie aus dem Halfter, wog sie in der linken Hand, nahm dann die alten Patronen heraus und lud sie sehr sorgfältig mit frischer Munition, dann schob ich sie wieder ins Halfter.
      Er zog meine Brieftasche aus der Tasche und gab sie mir. Als ich den Inhalt überprüfte, sagte er kein Wort.
      »Sind sie hier?«
      »Die meisten.«
      »Und Hoffer?«
      »Noch nicht.«
      Ich entdeckte, daß meine Hände zitterten. »Hilf mir beim Anziehen, wir wollen sie nicht warten lassen.«

    16

    Sie trafen sich im Salon. Ich saß auf einem Korbstuhl auf der Terrasse hinter einer Weinrabatte und beobachtete sie. Marco stand hinter mir.
      Von hier hatte ich einen prächtigen Überblick, und die Akustik war ausgezeichnet. Sie waren zu acht, meinen Groß vater mitgerechnet. Es schien sich um einen recht vielseitigen Haufen zu handeln. Drei von ihnen waren echte Capos aus der guten alten Zeit, betont schäbig gekleidet. Ein vierter Mann hatte das Jackett ausgezogen – er trug billige, grellbunte Hosenträger. Die anderen hatten teure, leichte Anzüge an, aber keiner von ihnen konnte, was das Aussehen betraf, meinem Großvater auch nur das Wasser reichen.
      Er saß in dem leichten, cremefarbenen Anzug, den er an jenem ersten Abend getragen hatte, am Kopf der Tafel.
      Hoffer hatte wieder die gewohnte dunkle Sonnenbrille aufgesetzt. Er nickte ernsthaft, als der Mann zu seiner Rechten ihm etwas zuraunte. Er machte einen sehr gefaßten Eindruck. Ich versuchte mir vorzustellen, was in seinem Kopf wohl vor sich gehen mochte.
      Mein Großvater hob eine kleine, silberne Glocke und eröffnete die Sitzung. Augenblicklich wurde es totenstill. Aller Augen wandten sich ihm zu, und erst nach ein paar Sekunden des Schweigens sagte er: »Karl Hoffer hat um diese Sonder sitzung gebeten. Ich weiß genausowenig wie ihr, was er uns zu sagen hat, aber wir können uns wohl alle vorstellen, worum es geht. Also, hören wir ihn an.«
      Hoffer blieb sitzen. Er wirkte ruhig, aber als er für einen Augenblick die Sonnenbrille abnahm, sah er doch sehr müde aus. Seine Stimme klang ernst und gedämpft. Er spielte seine Rolle beinahe überzeugend.
      »Als ich vor einigen Monaten dieser Hauptversammlung gegenübertrat, um mein Verhalten bei gewissen unglücklich verlaufenen Geschäften zu erklären, da versprach ich der Gesellschaft, das Geld, das durch meinen Leichtsinn verloren gegangen war, bis auf den letzten Pfennig zurückzuzahlen. Ich habe um eine Frist von sechs Monaten gebeten, die ausreichen mußte, gewisse Geschäftsanteile in den Vereinigten Staaten zu liquidieren, die meine verstorbene Frau mir hinterlassen hat.
      Ich weiß, daß einige von euch der Ansicht waren, ich wollte nur Zeit gewinnen, und daß die Gesellschaft ihr Geld nie wiedersehen würde. Andere schenkten mir Gott sei Dank ihr Vertrauen.«
      Über diese Bemerkung hätte ich bei anderer Gelegenheit sicher schallend gelacht. An diesem Tisch saß kein einziger Mann, der seinem Nachbarn außerhalb der strengen MafiaGesetze auch nur über den Weg getraut hätte.
      Sie wußten es, und auch Hoffer wußte es, es sei denn, daß er wirklich so unglaublich dumm war anzunehmen, daß er mit einem Haufen ungewaschener, sizilianischer Bauern anstellen konnte, was er wollte.
      »Willst du uns damit sagen, daß du nicht bezahlen kannst, Karl?«
      In der Stimme meines Großvaters lag ein boshafter Unterton, und er sagte die Worte mit schlecht verhohlenem Eifer. Selbst Hoffers schauspielerische Leistung verblaßte daneben.
      »Aber nein, Vito.« Hoffer setzte die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher