Nacht ohne Schatten
dürfte die Kommissarin wohl kaum interessieren.
»Wer auÃer Ihnen hat Zutritt zu Ihrem Atelier, Frau Markus?«
»Niemand.«
Das Handy der Kommissarin beginnt zu dudeln. Sie mustert das Display, nimmt den Anruf nicht an, wendet ihre Konzentration sogleich wieder Thea zu.
»Ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie mir etwas verschweigen.«
Thea schüttelt den Kopf. Stumpf. Stur.
»Wir lassen das so stehen«, sagt Judith Krieger schlieÃlich. »Jedenfalls für den Moment. Halten Sie sich aber zur Verfügung.«
* * *
Man soll die Leute nicht vorschnell abschreiben, sinniert Manni, während er den schrottreifen Dienstwagen, der ihm an diesem Tag zuteil geworden ist, vom Amor Richtung Innenstadt manövriert. Entgegen Mannis eher pessimistischen Erwartungen haben Diddl Makowskis Plaudereien mit Liebesgottverschnitt Reschke tatsächlich Hinweise auf ein paar Luden erbracht, die im Milieu dafür bekannt sind, mit jungen Russinnen zu dealen. Das Problem ist, dass die Beweisführung, vorsichtig formuliert, schwierig sein wird. Manni kennt das zur Genüge. Ich seh nichts, ich hör nichts, ich sag nichts. Sobald man solche Typen festzunageln versucht, mutieren sie unisono zu einer Kopie der drei japanischen Tempelaffen. Und die Mädchen, die sie belasten könnten, sind zu verängstigt oder unauffindbar: in einem anderen Puff, einer anderen Stadt, einem anderen Land, wieder in ihrer Heimat oder womöglich tot. Man kann das kaum nachvollziehen, genauso wenig wie die Identität Swetlanas. Solange man ihre Papiere nicht hat, ist es fast so, als existierten all diese Mädchen nicht.
Sie kommen in Wellen, hat Reschke ihnen gerade erklärt. Mal sind es Brasilianerinnen, dann Nigerianerinnen, Thais, Polinnen,Bulgarinnen, Russinnen. Ein Mädchen gibt den anderen einen Tipp, und die kommen nach, weil sie ebenfalls gutes Geld verdienen wollen, das ist die offizielle Version. Und die inoffizielle Version, wollte Manni wissen. Wir überprüfen ihre Pässe nach bestem Wissen und Gewissen, wir kooperieren mit der Polizei ⦠Reschke hat siegesgewiss gelächelt, Makowski hat genickt, und daraufhin schwadronierte der Amor-Boss ein weiteres Mal von den Vorzügen seines sauberen Vorzeige-Laufhauses. Frisör, Solarium, Kosmetikstudio, Restaurant, Arzt, Münzwaschmaschinen, Dachterrasse â all diese Annehmlichkeiten stünden den Damen zur Verfügung. Wenn man ihm eine Weile zuhört, könnte man fast glauben, das Amor diene nicht in erster Linie dem Vergnügen seiner Kunden, sondern dem seines Personals. Huren, die Reschke gebetsmühlenartig als selbstständige Unternehmerinnen bezeichnet.
Um den Möchtegern-Amor zu bremsen, hat Manni ihn mit der Gangbang-Einladung konfrontiert. Der Eintritt ist frei, wer es trotz des Gegaffes und Gejohles all der Schlange stehenden Gangbang-Teilnehmer schafft, so lange beim Vögeln durchzuhalten, bis er kommt, erhält sogar eine Geldprämie.
Die Mädchen, die das machen, sind Profis, betrachten das als PR in eigener Sache, hat Reschke erklärt.
PR statt Kohle? Dafür, dass sie nacheinander fünfzig und mehr Männer bedienen?
Freundlich lächelnd hat Reschke ihnen Presseartikel gezeigt. Die Amor-Gangbang-Queens schaffen es bis in die
Bild
, eine sogar bis in die
FAZ.
Es rechnet sich für uns alle, hat der Puffmanager gesagt. Viele Männer kommen schon beim Zugucken, sie konsumieren ordentlich Alkohol oder lassen sich nach einem Misserfolg von einer anderen Dame trösten.
Makowski grunzt irritiert, als Manni abrupt bremst, weil er in unmittelbarer Nähe der Szenebar, in der der erste Lude auf ihrer Liste angeblich nachmittags Hof hält, eine Parklücke erspäht. Mehmet Demirkan. Ein smarter Deutschtürke. Gegelt,geföhnt, parfumiert, goldkettchenbehängt, topmodisch gekleidet und, sobald sie ihre Dienstausweise zücken, von dieser halb devoten, halb belustigten Höflichkeit, die Manni auf den Tod nicht ausstehen kann. Lässig schnippt Demirkan das Foto von Swetlana zurück, und auch die Muskelpakete am Nebentisch und das polnische blonde Mädchen in seinem Arm schütteln die Köpfe. Nie gesehen, natürlich, keine Ahnung, wie die Polizei darauf kommt, gerade sie zu befragen. Es ist exakt so, wie Manni es vorausgesehen hat: Demirkan ist die Unschuld vom Lande, verfügt über Alibis für die relevanten Tatzeiten, und das unaufhörlich
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