Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
Vom Netzwerk:
ihrer Körper bezuschussen lassen, und natürlich machen sie das alles ganz freiwillig, so wie einen stinknormalen Job.«
    Manni nickt, zieht es vor, nichts zu sagen, weil Judith Krieger, wenn sie so in Fahrt ist, ohnehin keine Ermunterung zum Weitersprechen braucht.
    Â»Aber es funktioniert nicht. Kaum eine Prostituierte hat sich seit der Gesetzesänderung krankenversichert oder gibt Steuererklärungen ab, es ist eben doch kein so normaler Job. Und wenn unser Mädchen minderjährig ist, sieht es sowieso anders aus«, beendet sie ihren Vortrag. »Oder wenn sie dazu gezwungen wurde.«
    Â»Stimmt. Aber das ist bis jetzt reine Spekulation.«
    Â»Himmel, Manni, sie hat Brandwunden von Zigaretten in den Handflächen. Blaue Flecke, die auf eine Vergewaltigung hinweisen. Sie hat keine Papiere, und sie war eingesperrt.«
    Vergewaltigung. Das Wort hängt zwischen ihnen und bläht sich auf.
    Â»Herrgott, es gibt keine Frau, die sich freiwillig an fremde Männer verkauft!«, faucht die Krieger.
    Manni denkt an seine Zeit bei der Essener Sitte. »Es gibt Frauen, die mögen sogar Sado-Maso-Spiele.«
    Â»Weil sie vorher schon kaputt gemacht worden sind.« Die Augen der Krieger schießen Blitze. Sie steht auf, wirft sich das Laubfroschcape über. »Komm, bringen wir’s hinter uns. Da sind die Kollegen.«
    Sex, denkt Manni und fühlt sich plötzlich sehr müde, als sieim Gänsemarsch über die Gleise trotten. Sex, Sex, Sex, darauf läuft doch immer alles hinaus. Die irre Gier nach ein paar Minuten verschwitzter Rammelei, die immerwährende Hoffnung, dass das mehr bringt als vorübergehende Erleichterung, diese absurde Jagd nach dem, was Liebe heißt. Was ist mit Sonja, warum ist die abgetaucht? Nässe kriecht unter Mannis Kragen, er setzt die Baseballkappe mit dem Schild nach hinten auf, zieht den Reißverschluss seiner Fliegerjacke bis zum Kinn. Rechts unter ihm klafft die Brandruine der Pizzeria Rimini zwischen den schmuddeligen Mietshausblocks wie ein verfaulter Backenzahn. Die Feuerwehr hat die Brandwache offenbar eingestellt. Polizeisiegel und Baugitter sollen nun verhindern, dass Kinder, Gaffer oder Penner hineinspazieren.
    Â»Hallo, Gewinnerin!« Ein weiterer Polizeimeister schließt zu ihnen auf und strahlt Judith Krieger an. »Zwölf Lose hab ich mir gekauft und nur eine Flasche Wein gewonnen. Das ist doch einfach nicht gerecht.«
    Â»Dann hast du wohl Glück in der Liebe.« Die Krieger lächelt säuerlich. Sie mag es nicht, wenn man sie auf die Weihnachtstombola anspricht, wird Manni bewusst. Warum eigentlich nicht?
    Â»Die Schrebergärten da unten sind sauber«, berichtet der Polizeimeister. »Keine Spur von einem illegalen Untermieter dort.«
    Na klar, denkt Manni, was auch sonst. Glaubt hier irgendjemand an die Obdachlosennummer? Glaubt hier irgendjemand im Ernst, dass wir gleich etwas anderes finden werden als weiteren Müll – oder noch einen Schatten? Sie teilen sich auf, drei Trupps mit Funkgeräten, die sich entsprechend der Gleisabzweigungen trennen. Hat ihn hier in der Nacht jemand beobachtet oder nicht? Jetzt, bei Tageslicht, erscheint ihm das unwahrscheinlicher denn je, ein paar Stunden zuvor war er vom Gegenteil überzeugt.
    Was, verdammt noch mal, ist mit Sonja los? Warum hat sie auf keinen seiner Anrufe reagiert? Denk nicht an sie, konzentrierdich aufs Suchen: einen Fluchtweg, einen Unterschlupf, einen Rucksack, eine Jacke. Irgendwas. Zunehmend verbissen, quälend langsam arbeiten sie sich an den Gleisen entlang. Die Böschung runter und wieder rauf. Nichts auslassen, kein Gebüsch, keinen noch so schmalen Trampelpfad. Schweiß vermischt sich auf Mannis Gesicht mit Regen. Nicht aufregen, Mann, nicht nachdenken, ob das hier sinnvoll ist, einfach weitermachen, konzentriert bleiben und zur Seite springen, wenn ein Zug heranrast, dessen Fahrtwind sie mit Regenböen besprüht.
    Â»Manni? Wir haben was!« Adrenalin kickt in Mannis Körper. Selbst durch das Funkgerät kann er die Erregung in Judith Kriegers Stimme hören.
    Er lässt sich die Koordinaten durchgeben und hastet los, erreicht die Kollegen in knapp fünf Minuten. Sie stehen unter einer Bahnbrücke, den Blick auf ein mannshohes Loch im Gewölbe gerichtet.
    Â»Da ist jemand drin«, sagt die Krieger heiser. »Der könnte auf die Zeugenbeschreibung passen. Weiter Mantel, halblanges Haar.«
    Â»Hat

Weitere Kostenlose Bücher