Nacht ohne Schatten
realen Kriminalpolizei keine einzige, wussten Sie das?«
»Ruhe«, zischt jemand hinter ihnen, weil nun die Mikrofone endlich ihren Dienst tun und der Pressesprecher auf gewohnt umständliche Art und Weise die Damen und Herren Pressevertreter aufs Allerherzlichste begrüÃt.
»Rufen Sie mich an«, flüstert Sanders und wendet seine Aufmerksamkeit nun ebenfalls der Konferenz zu.
Eine Viertelstunde lang folgt das übliche Blabla. Nur das Nötigste rausgeben, hier und da ein Zugeständnis, ja, aber das Heft immer in der Hand behalten ist die Devise, und Judith Krieger beweist, dass sie dieses Spiel hervorragend beherrscht.
»Wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen«, appelliert sie am Ende ihres Berichts und stützt sich auf die Ellbogen, als wolle sie sich im nächsten Moment mit den Pressefuzzis verbrüdern. »Veröffentlichen Sie das Foto der schwer verletzten Unbekannten, dann können wir sie vielleicht schon bald identifizieren. Auch Gäste der Pizzeria Rimini sollen sich bitte dringend bei uns melden.«
Fragen folgen: nach dem derzeitigen Aufenthaltsort der Frau, ihrem Verhältnis zu Luigi Baldi. Nach einer Weile schaltet sich Millstätt ein. Eventuell wurde die junge Frau gefangen gehalten, eventuell stamme sie aus Russland, mehr könne man derzeit aus ermittlungstechnischen Gründen nicht preisgeben, man bitte um Verständnis. Murrend beginnt die Meute sich aufzulösen. Nur der Reporter Sanders schnürt zum Podium.
»Frau Krieger, wir haben schon telefoniert«, tönt er sonor und wedelt mit einer weiteren Visitenkarte. »Ich bin Gero Sanders.«
Judith Krieger taxiert ihn mit Katzenaugen. »Die Antwort ist Nein.« Sie drängt zum Ausgang, ohne sich um den Protest des Reporters zu kümmern.
»Geben Sie mir eine Chance, gehen Sie wenigstens mit mir essen«, posaunt er.
Judith Krieger drückt die Glastür, die den öffentlich zugänglichen Bereich des Polizeipräsidiums vom internen trennt, vor seiner Nase zu.
»Herrgott, ist der hartnäckig«, stöhnt sie.
»Was hast du gegen Publicity?« Manni drückt auf den Aufzugknopf.
»Als Quotenmausi für ein Hochglanzmagazin? Vielen Dank.«
»Karriere machst du ja auch so.«
»Weil ich gerade den Ermittlungsstand referieren durfte? So ein Quatsch. Das ist wohl eher ein Belastungstest.«
Sie starrt beharrlich auf ihre Stiefelspitzen, während der Aufzug sie hinauf ins KK 11 trägt, und plötzlich hat Manni keine Lust mehr, mit ihr die Suche nach der Identität des Komamädchens in Puffs und Nachtclubs abzusprechen, zumal dies allzu leicht in die nächste Grundsatzdiskussion ausartenkann. Besser, er überrascht Judith Krieger mit Resultaten â und Axel Millstätt gleich dazu. Besonders kollegial ist das natürlich nicht, aber gerade als er sich dazu durchgerungen hat, das Thema Bordellsuche doch noch anzusprechen, verscherzt es sich die Krieger endgültig für diesen Tag.
»Checkst du den Baumarkt?«, sagt sie oben im KK 11 und verdrückt sich, ohne Mannis Antwort abzuwarten, in ihr Büro.
Missmutig schlendert Manni zu seinem Schreibtisch, der sich seit ein paar Monaten wieder im Doppelbüro mit Holger Kühn befindet. Das ist okay, weil Kühn ein ruhiger Mensch ist und auÃerdem, wie auch heute, häufig fehlt und an seiner Bandscheibe herumlaboriert. Was allerdings die Optik angeht, ist ihre Bürogemeinschaft eine Katastrophe. Manni wirft den Köterporträts, mit denen Kühn seinen Wandanteil zugepflastert hat, einen bösen Blick zu. Früher hingen wenigstens noch ein paar Surfbilder dazwischen. Doch seit Kühn dieses Hobby aufgeben musste, haben sich die plattnasig-glupschäugigen deutschen Boxer rapide vermehrt.
Manni schwingt die FüÃe auf den Schreibtisch. Wenn er jetzt die Biege macht, kann er noch zwei Stündchen Karate trainieren und sich frisch machen, bevor er in den Genuss von Sonjas Kochkünsten kommt. Er ruft den Anfänger an, um dem den Job mit dem Baumarkt aufs Auge zu drücken, erreicht ihn aber nicht. Er starrt das Foto des Komamädchens an und denkt dabei an Sonja. Die anderen Mädels, mit denen er bislang was Ernsteres hatte, haben ihn immer mit Anrufen bombardiert, und wenn sie das mal nicht taten, hieà das unweigerlich, dass sie schmollten. Er hatte gedacht, das sei typisch weiblich, weil auch seine Mutter sich exakt dieses Verhaltensmusters
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