Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
Vom Netzwerk:
Millstätt sie dafür befördert oder tadelt oder sogar feuert.
    I’m afraid to forget you. I am remembering you, you were sparkling,
klagt die britische Sängerin, während Judith den Dienstwagen vor dem Gebäude parkt, in dem die Hilfsorganisation Frauen für Frauen Räume gemietet hat. Ein mehrstöckiges, graues Nachkriegsgebäude, vollkommen unspektakulär. Judiths eigener Arbeitsplatz hätte sich darin befinden können, es gab einmal eine Zeit, da ging sie davon aus, dass es so sein würde. Anwältin hatte sie damals werden wollen, nicht Polizistin. Sie denkt an das schöne bewusstlose Mädchen und sein Gefängnis unter der Pizzeria. Sie denkt daran, dass es viel zu viele solcher Mädchen gibt und dass niemand sich um sie kümmert, weil sie in einem System gefangen sind, das ein Teil der Bevölkerung benutzt und der Rest nicht wahrhaben will. Sie verschließt den Wagen, geht über die Straße und drückt auf die Klingel. Sie weiß, dass sie hier nicht mehr willkommen ist. Trotzdem unterdrückt sie den Impuls, wieder umzukehren.
    * * *
    Das Laufhaus Amor, laut Eigenwerbung der größte Puff Europas, liegt gar nicht so weit entfernt von dem zum Boomen bestimmten Gewerbepark, nahe einem Autobahnzubringer, was für die Kundschaft aus dem Umland sehr praktisch ist.Obwohl es früher Mittag ist, parken Autos diverser Güteklassen vor dem neunstöckigen Erotiketablissement. Die über dem Eingang schwebende Skulptur einer fetten nackten Putte mit lüsternem Blick zielt mit Pfeil und Bogen auf die sich nähernden Besucher. Taxifahrer dösen in Warteposition, um die von ihrer körperlichen Betätigung erschöpften Freier, die nicht mit dem eigenen Wagen herkommen, abzutransportieren. Manni vergewissert sich, dass die Fotos in seiner Jackentasche stecken. Fast durchsichtig hat das Komamädchen gestern Abend im Krankenhaus ausgesehen, als sei sie gar nicht mehr richtig da, und erst in diesem Moment hat Manni akzeptiert, dass die Russin Petrowa und die Oberärztin nicht übertreiben. Es kann tatsächlich sein, dass das Mädchen nie mehr von selbst atmen wird, nie mehr etwas sagen oder sich an etwas erinnern, es ist tatsächlich sehr wahrscheinlich, dass sie stirbt.
    Â»Rentner-Primetime!« Diddl Makowski zurrt seine Jeans zurecht und schickt einen abschätzenden Blick über die parkenden PKW. »Wer nachweist, dass er älter als
66
ist, fickt werktags zwischen 11 und 15 Uhr zum halben Preis.«
    Â»Tatsächlich?« Manni hat keinen Nerv für Makowskis Gelaber. Der Eklat beim Morgenmeeting hängt ihm noch nach, mehr als er möchte. Er hätte Judith Krieger nicht so auflaufen lassen dürfen, hat es dennoch getan, auch wenn er nicht weiß, warum. Jetzt will er wenigstens das Mädchen identifizieren, und dass jede Stunde, in der das nicht gelingt, einem widerlichen Brutalo-Killer zugutekommt, erhöht den Druck noch mehr.
    Â»Marketing.« Makowski stampft ohne Eile auf den von Kunstharz-Römersäulen flankierten Eingang zu, auf dessen Fußboden rote Lauflichter ins Innere des Lusttempels jagen. »So ein alter Sack zum Dumpingpreis ist ja für die Mädels immer noch lukrativer als ein Mittagsschläfchen.«
    Zwei Türstehergorillas, deren Physiognomie und Habitus auf einen südländischen Migrationshintergrund hindeuten, glotzen sie an, als sie das Gebäude betreten. Bevor Manni ins Kölner KK 11 wechselte, hatte er zwei Jahre lang bei der EssenerSitte Dienst geschoben, auch dort gehörten solche Typen unausweichlich zum Bordellinventar. Auf der Autofahrt hierher hat Manni Makowski davon zu überzeugen versucht, dass seiner Erfahrung nach ein Nobelbordell nicht unbedingt die erste Adresse für die Suche nach einer Zwangsprostituierten ist, dass sie es lieber in den kleineren, schmierigeren Schuppen oder auf dem Straßenstrich probieren sollten. Der Amor-Chef hat garantiert einen Tipp, hat Makowski gesagt, und dem konnte Manni schlecht widersprechen, schließlich gilt sein Kollege als einer der erfahrensten Ermittler im Rotlichtmilieu.
    Noch mehr Säulen, Statuen nackter Nymphen, ein weiterer schwebender Liebesgott und Gipsweinreben bestimmen das Styling des Foyerbereichs. Zwei Huren in Minimalbekleidung lümmeln auf der Sitzbank eines Springbrunnens. Die Wasserfontänen plätschern mit süßlicher Schlagermusik um die Wette, die von der rot getünchten

Weitere Kostenlose Bücher