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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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Decke förmlich zu triefen scheint. Manni hebt den Blick, kann aber keine Lautsprecherboxen erkennen. Vermutlich sind sie hinter irgendwelchen Römerkitschattrappen verborgen.
    Â»Trinken wir erst mal was.« Makowski schnürt mit der Lässigkeit des Stammgasts nach links auf eine Treppe zu. Die lebensgroßen Fresken wild durcheinander kopulierender Männer und Frauen an den Wänden des Aufgangs machen unmissverständlich klar, was die Kundschaft oben erwartet. Den Stil der Wandmalereien hätte Manni aufgrund seiner vagen Erinnerungen an den Schulgeschichtsunterricht eher dem alten Ägypten zugeordnet. Doch solche Spitzfindigkeiten dürften hier wohl kaum jemanden interessieren.
    Die Bar im ersten Stock ist zeitlos, in den Nischen gibt es die klassischen roten Kunstleder-Sitzgarnituren, die Barhocker an der Theke sind gepolstert und haben Rückenlehnen, was sowohl der Klientel fortgeschrittenen Alters als auch angetrunkenen Nachtschwärmern zugutekommen dürfte. Ein rotnasiger Rentner klebt direkt vor dem Zapfhahn und schlürft ein Kölsch, ohne die Brüste der Bedienung aus den Augen zulassen. Sie verzieht die Lippen zu einem Lächeln, das nicht sehr überzeugend wirkt, sobald sie Makowski und Manni erblickt.
    Â»Ich hol den Chef.«
    Â»Cola mit Eis.« Der Sittenfahnder steuert auf eine der Nischen zu und plumpst in einen Sessel. Manni verdoppelt die Bestellung und gesellt sich zu ihm. Ein echter Renner scheint das Mittagsangebot für Senioren nicht zu sein, abgesehen von dem Lustgreis am Tresen ist die Bar menschenleer. Die Barmieze flötet etwas in ein Wandtelefon und balanciert wenig später ein Tablett zu ihnen herüber, ohne ein Tröpfchen Cola zu verschütten, was in Anbetracht ihrer schwindelerregend hohen Lacksandaletten eine echte Leistung ist.
    Der Chef des Amor heißt Eckhard Reschke und sieht mit seinen Pausbacken so aus, als hätte er persönlich Modell für seine Amorskulpturen gestanden. Sein steif gebügeltes blaues Hemd stünde jedoch jedem Versicherungsangestellten gut zu Gesicht, was nichts daran ändert, dass unter Reschkes Obhut Monat für Monat 150 Huren rund um die Uhr bis zu 38 000 Kunden bedienen. Reschke ordert einen Cappuccino, bevor er sich zu ihnen setzt. Er ist ein Späteinsteiger ins Milieu, war tatsächlich einmal Bankangestellter, bevor er – arbeitslos geworden – als neuer Manager das damals recht muffige Bordell in ein florierendes, römisch gestyltes Laufhaus umwandelte, dessen Leitmotto – »Einfach göttlich. Hier bestimmen Sie, was Liebe ist« – verspricht, keinerlei Wünsche der ausschließlich männlichen Klientel unbefriedigt zu lassen. Angeblich bekommen unzufriedene Kunden sogar ihr Geld zurück. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wie die Krieger dieses Detail kommentieren würde, und auf einmal ist Manni froh, dass er ermitteln kann, ohne wegen jeder Kleinigkeit eine Grundsatzdiskussion führen zu müssen. Er unterbricht das kumpelhafte Begrüßungsgeplänkel der beiden Männer, indem er die Fotos aus der Jackentasche zieht und sie Reschke unter die Nase hält.
    Der Bordellbetreiber lässt sich Zeit, studiert sie sorgfältig,eines nach dem anderen. Das Mädchen. Den S-Bahn-Fahrer und den Italiener.
    Â»Die waren doch schon in der Zeitung«, sagt er schließlich. »Tut mir leid, ich kenne die nicht.«
    Â»Das Mädchen stammt vermutlich aus Russland, wurde gefangen gehalten und zum Anschaffen gezwungen.« Manni hält dem Puffmanager das Foto der bewusstlosen Zeugin nochmals hin.
    Reschke lächelt. »Mit Sicherheit nicht hier.«
    Â»Wir wissen sehr wohl, dass Ihre Damen privilegiert sind.« Makowskis Stimme perlt wie Öl.
    Â»Vielleicht kann ja eine dieser Damen weiterhelfen.« Manni windet sich aus dem viel zu kurzbeinigen Ledersessel und schiebt sich am Tresen vorbei auf den Flur, bevor der Bordellmanager Gelegenheit hat, sich Einwände auszudenken. Das Gemurmel der beiden Männer wird vom Gesäusel der Musik verschluckt. Gleich gegenüber der Bar beginnt der erste Flur, auf dem spärlich bekleidete Freudenmädchen vor ihren Zimmern auf Kundschaft lauern. »Venus Express-Service« steht auf einem lichterkettenumkränzten Schild. »Blasen ab 30 Euro«. Wer es noch billiger will, kann sein bestes Teil für 20 Euro einfach in die
Black Wall
stecken und abwarten, was dann

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