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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Kühle der Bäume ist wie eine Hymne auf die Ruhe ringsum. Weiter weg, über den Bergkuppen, nimmt ein Vogelgeschwader Abschied von seinem angestammten Rastplatz, bevor es auf die große Reise geht. Der Professor gibt sich seinen Phantastereien hin. Sein Gesicht hat sich mit einemmal aufgehellt, und in seinen Augen taucht ein ungewohntes, fernes Leuchten auf.
    Schließlich steuern wir geradewegs auf einen von Zypressen eingerahmten Bauernhof zu. Eine Meute Hunde schießt plötzlich laut bellend hinter einer Hecke hervor und begleitet uns bis zum Tor, wo ein zerlumpter Alter an einer Schubkarre herumbastelt. Ich parke mein Auto unter einem Baum. Der Professor steigt als erster aus, um unseren Besuch anzukündigen, und kommt mich dann holen.
    Ein kräftiger Kerl empfängt uns am Gartentor. Er bittet uns, ihm zu folgen, läßt uns dann zwischen den Beeten stehen und verschwindet.
    »Ist das nicht ein schöner Tag?« sagt ein Mann hinter einer dichten Rosenhecke. Er hockt wie auf der Lauer im Schatten seiner Blumen, den Strohhut tief ins Gesicht gedrückt. Seine Jeanslatzhose ist funkelnagelneu, und seine Stiefel, obwohl völlig verdreckt, glänzen übermäßig. Ich schließe daraus, daß ich es mit einem Amateurgärtner zu tun habe, der besser daran täte, in seinen goldenen Käfig zurückzukehren, anstatt sich an den Dornen unbedingt die Hände aufkratzen zu wollen. Ein kurzer Blick auf seinen makellos weißen Hemdkragen, seine schimmernde Haut und den Haarschnitt bestätigt dieses Gefühl. Wahrscheinlich will mich der Bursche beeindrucken, aber da hat er sich geschnitten. Seine Haltung und seine Art, mit Pflanzen umzugehen, verraten das bequeme Säugetier, das mit der Verachtung körperlicher Anstrengung aufgewachsen ist; die Sorte verwöhnter Privatmann, die bei jeder Kleinigkeit die griffbereite Glocke läutet.
    Er steckt die Schere in ein Etui, zieht die Handschuhe aus und steht auf, um uns die Hand zu schütteln.
    »Der Hakim hat mir oft von Ihnen erzählt, Kommissar Llob.«
    Ich runzle die Stirn. Die Physiognomie des Typen sagt mir etwas, aber ich kann sie nicht zuordnen. Ein kleiner Kerl mit scharfen Gesichtszügen und grauen Schläfen. Er muß um die Sechzig sein und hat gewiß gute Gründe, sich einen wachen, vernichtenden Blick bewahrt zu haben. Die Hand, die er mir entgegenstreckt, ist kaum größer als die eines Kindes, trotzdem habe ich das Gefühl, daß mich eine Zange packt.
    Er bietet uns Korbstühle unter einem Eukalyptusbaum an. Mit übertriebener Höflichkeit. Auf einem Tisch steht eine Schreibmaschine, daneben ein Kistchen, das überquillt von beschriebenen Blättern. Man könnte sich einbilden, bei einem Dichter zu sein, und beinahe schäme ich mich, ihn zu stören.
    »Was machen die Memoiren?« stößt der Professor hervor und setzt sich in den Schatten.
    »Es geht Schritt für Schritt voran. Was darf ich Ihnen anbieten?«
    »Für mich einen Orangensaft.«
    »Und Sie, Kommissar?«
    »Ebenfalls einen Saft.«
    Unser Gastgeber wendet sich zu einem Schuppen um. »Bring uns Saft, Joe.«
    Der kräftige Kerl von vorhin bringt uns Gläser und Trockenobst.
    »Er heißt Joe?« erkundigt sich der Professor.
    »Er mag es, wenn man ihn so nennt. Er war mal in Chicago und zehrt noch immer davon. Damals hat er geboxt wie ein junger Gott und wollte unbedingt Weltmeister werden. Dann ist er auf einen Stärkeren gestoßen. Sein Manager hat ihn angefleht, das Handtuch zu werfen. Joe hat das abgelehnt. Bis zum Schluß hat er durchgehalten. Als er aus dem Ring stieg, ließ er ein Gutteil seines Verstandes dort zurück. Manchmal zieht er abends seinen Jogginganzug an und vergräbt sich tagelang in den Wäldern. Dann kreuzt er eines Morgens wieder hier auf und kann sich nicht erinnern, wo er gewesen ist. Ein guter Junge.«
    Nach kurzem Zögern erkundigt er sich bei mir: »Sie sind schon lange bei der Polizei, Kommissar?«
    »Seit der Unabhängigkeit.«
    »Haben Sie es nicht langsam satt?«
    »Anderswo ist es schlimmer.«
    Er schüttelt den Kopf.
    Der Professor hebt das Glas an die Lippen, leert es in einem Zug und macht sich dann über die gebrannten Mandeln her. Wir hören drei lange Minuten zu, wie er sie gierig zermalmt, dann kratze ich mich am Hals und nehme einen Anlauf. »Der Professor hat mir noch nicht von Ihnen erzählt, Monsieur ...?«
    »Was?« fährt Allouche hoch. »Du erkennst ihn nicht?«
    In ebendiesem Moment fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Verdammt, wie konnte mein Gedächtnis mir nur so einen

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