Nacht über Algier
habe eine ausgezeichnete Nachricht für dich«, verkündet Inspektor Bliss durchs Telefon.
»Du willst mir doch nicht etwa mitteilen, daß du aus dem Jenseits anrufst?«
»Darauf kannst du lange warten. Im Gegenteil, ich werde dir dein Grab schaufeln. Ganz umsonst. Und mit dem größten Vergnügen.«
»Ich vermute, daß der Direx neben dir sitzt.«
»Richtig. Ich weiß genausogut wie du, daß du mir schon längst eins auf die Eier gegeben hättest, wenn er nicht seine schützende Hand über mich halten würde.«
Seine Unverschämtheit macht mich sprachlos. Aber ich stecke den Hieb ein, im festen Glauben, daß er eines Tages in der Klemme sitzen wird. Dann kann er was erleben, nichts werd ich ihm schenken. Solche kleinen Schleimscheißer wie ihn gibt es wie Sand am Meer. Sie glauben, daß sie bis in alle Ewigkeit im Windschatten ihrer Chefs segeln können, und nutzen diese Position schamlos aus.
»Bist du noch da, Llob?«
»Leibhaftig, Medor [ In Algerien sehr verbreiteter Hundename]. Was willst du?«
»Im >Sultanat bleu< hat's 'ne Schlägerei gegeben.«
»Und das nennst du eine ausgezeichnete Nachricht?«
»Immerhin gehst du uns seit einiger Zeit mit deiner miesen Laune auf den Geist. Hast du etwa nicht darauf gewartet, deinen Schlitten endlich mal wieder auf Touren zu bringen?«
Ich lege auf. Bliss ist in Form, ich nicht. Und beim geringsten Anzeichen von Schwäche seines Gegners wird er auf einmal mutig und stürzt sich auf sein Opfer wie eine Hyäne auf einen sterbenden alten Löwen.
Ich erhebe mich mühsam aus meinem Sessel und gehe ins Schlafzimmer, um mich umzuziehen.
Beunruhigt kommt Mina mir hinterher. »Was ist los?«
»Die Pflicht ruft.«
»Abends um elf?«
»Die Pflicht ist eine rücksichtslose Person, meine Liebe. Es gibt nichts Schlimmeres, um dir das Leben zu vergällen. Das Problem ist nur, daß sich ihr kein Idiot entziehen kann. Bringst du mir bitte meinen Mantel?«
Genau in dem Augenblick, als ich mein Auto aus der Garage fahre, zerteilt ein Blitz den Himmel. In wenigen Minuten haben schwere Wolken die Stadt erreicht, von heftigen Windstößen vorwärts gejagt. Durch die Spiegelung der Straßenlaternen erscheinen die ersten Regentropfen auf der Windschutzscheibe wie aufgehende Sterne. In den Straßen ist nicht viel los. Die Geschäfte haben die Rolläden heruntergelassen, die Kneipen und Cafes ebenfalls. Auf den Bürgersteigen treiben sich ein paar Müßiggänger herum. Ich rase die Boulevards entlang, fahre alle Augenblicke bei Rot über die Ampel.
Als ich vor dem »Sultanat bleu« eintreffe, sind bereits zwei Einsatzwagen an Ort und Stelle. Mitten im Gedränge erkenne ich Brigadier Lazhar. Mit übertriebener Aufmerksamkeit hört er sich die Zeugenaussagen an, die sich hier und da in der Menge vernehmen lassen, und macht sich Notizen. Ich gehe auf ihn zu, die Hände in den Taschen, damit jeder weiß, daß ich hier der Boß bin.
»Laß uns reingehen«, bitte ich ihn, um so die Sache in die Hand zu nehmen. »Außer dem Inhaber dieses Ladens will ich niemanden sehen.«
»Wir sind nur knapp einer Katastrophe entgangen«, bricht es aus dem Besitzer hervor, wobei er sich mit einem seidenen Taschentuch vorsichtig das Gesicht abtupft. »Er hat seine Waffe gezogen, Herr Kommissar. Die Frauen fingen sofort an zu schreien, Tische wurden umgestoßen. Einige haben sich auf den Boden geworfen. Unbeschreiblich. Können Sie sich das vorstellen, Herr Kommissar? Unsere Gäste zahlen viel Geld, um bei uns ein paar nette Stunden zu verbringen, und wie aus heiterem Himmel ist auf einmal der Teufel los ... Bei uns verkehren nur angesehene Kader, Geschäftsmänner und hohe Funktionäre, Leute, die ihre Ruhe haben wollen. Das >Sultanat< ist ihre Welt, exklusiv und teuer, so halten wir uns unerwünschte Personen vom Hals. Und peng, mitten in dieser friedlichen Atmosphäre zieht ein Bulle seine Show ab. Ich schäme mich«, gesteht er mir. »Wenn Sie wüßten, in welch unangenehme Situation mich das gebracht hat. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. Mein Gott, was für ein Skandal!«
Er bricht völlig zusammen, der Schnösel. Ich habe direkt Lust, ihm meine Schulter hinzuhalten, damit er sich daran ausflennen kann.
»Setzen Sie sich, und versuchen Sie sich zu beruhigen«, rate ich ihm.
Er läßt sich in einen Sessel fallen und tupft sich mit seinem Taschentuch die Mundwinkel ab.
»Ich bitte Sie, meine Erregung zu entschuldigen, Herr Kommissar. Es ist das erste Mal, daß ich ein so
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