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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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bedauerliches Vorkommnis in einem Haus erlebe, das als die beste Adresse im ganzen Land gilt. Es gibt Orte, wo sich die Ganoven herumtreiben können, und solche für die Elite der Gesellschaft. Ich finde es unverzeihlich, daß man sich in einem Milieu bewegen darf, das nicht der eigenen sozialen Stellung entspricht.«
    »Sie haben recht«, wirft der Brigadier ein, um auf sich aufmerksam zu machen.
    Ich bringe ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen und bedeute ihm zu verschwinden. Beleidigt zieht er ab. Ich schließe die Tür limier ihm und bitte den Besitzer, seine schmutzige Wäsche auszubreiten.
    »Wären Sie so nett, mir die Geschichte von Anfang an zu erzählen?«
    Er schluckt und weiß zunächst nicht, wo er beginnen soll, schließlich aber kläfft er los.
    »Gleich als ich ihn das erste Mal gesehen habe, war mir klar, daß er überhaupt kein Format hat. Er war anständig gekleidet, das war es aber auch schon. Ein schöner Junge aus dem Ghetto, der hoch will und sich dabei nur auf sein gutes Aussehen verläßt, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich war gegen seine Aufnahme in den Club. Wir sind sehr wählerisch, hier im >Sultanat<. Wir suchen uns unsere Kundschaft mit äußerster Sorgfalt aus. Es ist unser Anliegen, die ehrenhaften Familien vor den Gefahren der Promiskuität und der Pietätlosigkeit der Emporkömmlinge zu schützen. Aber leider Gottes war der Mann Polizist. Und der Respekt vor unseren staatlichen Institutionen ist uns heilig, Herr Kommissar.«
    Ich lege meine Hand vor den Mund, um ein Gähnen zu unterdrücken.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sage ich zu ihm, »aber nach Mitternacht neige ich dazu, mich für ein Nilpferd zu halten. Könnten Sie bitte zur Sache kommen: Wer ist dieser Polizist? Warum hat er seine Knarre rausgeholt? Und wo ist er jetzt?«
    Mit dem Zeigefinger bedeutet er mir, mich zu gedulden, und drückt auf einen Knopf. Ein Angestellter im Smoking kommt herein, sein Hemdkragen ist besudelt, und er hält sich ein blutbeflecktes Handtuch vors Gesicht.
    »Monsieur Tahar ist unser Majordomus. Er wird Ihnen besser als ich Auskunft darüber geben können, was vorgefallen ist.«
    »Ich höre, Monsieur Tahar.«
    Der Hausmeister hat begriffen, daß mich seine Verletzung kaltläßt. Er befreit seine zerquetschte Nase von dem albernen Lappen.
    »Der Lieutenant kam um acht, zusammen mit seiner Flamme. Sie hatten den Tisch Nummer 69 reserviert. Was ich persönlich veranlaßt habe. Der Lieutenant wollte den Geburtstag seiner Freundin gebührend feiern. Er war sehr zufrieden mit der Tischdekoration. Sie turtelten während des ganzen Abendessens. Gegen zehn gab er mir ein Zeichen. Das hatten wir am Abend davor verabredet. Seine Liebste sollte nichts merken. Er wollte sie überraschen. Wir dämpften das Licht und schoben den Kuchen zu ihrem Tisch. Es war eine riesengroße Torte vom besten Konditor in ganz Algier. Seine Gefährtin war zutiefst gerührt. Die Torte wurde höchst feierlich angeschnitten. Doch mit einemmal erlosch das Lächeln auf den Gesichtern der beiden Turteltäubchen. Monsieur Haj Thobane stand am Eingang des Restaurants. Prächtig wie ein Gott. Es herrschte plötzlich eine unglaubliche Stille. Nichts rührte sich. Man ahnte, daß irgend etwas Außergewöhnliches passieren würde. Den beiden Turteltäubchen war nicht wohl in ihrer Haut. Sie sahen sich an, als würde der Tod an die Tür ihrer Idylle klopfen. In diesem Augenblick breitete Haj Thobane seine Arme aus. Und da riß sich die Dame von der Hand ihres Liebhabers los, der sie zurückhalten wollte, und stürzte sich in die Arme von Haj Thobane. Das war so unglaublich, daß niemand wußte, ob er jubeln oder Mitleid empfinden sollte. Haj Thobane hat die junge Frau eine ganze Weile an sich gedrückt, dann sind sie Arm in Arm hinausgegangen und in die Limousine gestiegen, die im Hof auf sie wartete. Nachdem sie fort waren, standen wir wie versteinert da. Unsere Gäste wagten nicht weiterzuessen. Alle Blicke hefteten sich auf den Polizisten. Um nichts in der Welt hätte jemand in seiner Haut stecken mögen. Ihm selbst war noch gar nicht bewußt, was geschehen war. Er starrte wie irre auf die Tür, durch die seine Herzensdame verschwunden war. Eine ganze Ewigkeit lang haben wir darauf gelauert, wie er reagieren würde. Schließlich ist er auf seinem Stuhl ganz in sich zusammengesunken und hat das Gesicht mit den Händen bedeckt. Wir haben diesen Moment genutzt, um das Orchester wieder zum Einsatz zu bringen, aber die Situation war

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