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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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hat mir nichts von einer Knarre gesagt.«
    »Der Herr Bürgermeister weiß wahrscheinlich auch nicht, was das ist.«
    Die Arme hinterm Kopf verschränkt, weicht er in den Flur zurück.
    »Schon gut, Mann. Halt den Lauf ein bißchen runter, ja?«
    »Das hängt von dir ab, Kong. Wenn du versprichst, in deinen Wald zurückzukehren und nie wieder aufzukreuzen, stecke ich meine Wumme weg, und die Sache ist erledigt. Wenn du aber noch mal meinen Zeitplan durcheinanderbringen solltest, dann wird der Herr Bürgermeister dich nicht mal mehr für deinen Einsatz belohnen können.«
    Er nickt zustimmend und stürzt so schnell die Treppen hinunter wie ein Jahrmarkt-Herkules auf der Flucht vor einer Wespe.
    Soria steht in der Tür, die offenen Haare bis zum Hintern herabfallend, und spendet mir Beifall. Sie hat wohl vergessen, ihre Bluse zuzuknöpfen. Ihr Busen, rund und schön, bringt mich ganz durcheinander, ich kann meine Augen von dieser sündhaften Pracht hinter dem bestickten Stoff gar nicht abwenden. Schnell stecke ich meine Knarre ins Halfter zurück und verbiete mir, auf dumme Gedanken zu kommen.
     
    Der Möchtegern-Rausschmeißer ist einer Ohnmacht nahe, als er mich später in der Menge entdeckt, die sich in der Eingangshalle des Rathauses hin und her schiebt. Er glaubt, daß ich mit ihm abrechnen will, und stiehlt sich durch einen Notausgang davon. Eine andere Affenvisage versucht mich daran zu hindern, die Treppe hinaufzusteigen. Ich hole meine Dienstmarke raus; glücklicherweise scheinen die Bullen auf dem Land noch hoch im Kurs zu stehen, denn schon bahnt er mir eilfertig den Weg bis zu einer Polstertür. Eine grell geschminkte Sekretärin hört auf, sich die Nägel zu feilen, und wirft mir einen koketten Blick zu. Sie sieht mir an, daß ich es eilig habe; mit dem Kinn weist sie auf einen Flur, an dessen Ende ich auf einen protzigprunkvollen Saal stoße, wo zwei Männer an einem Tisch mit einer Menge Telefone sitzen und lautstark durcheinandergrölen. Als sie mich entdecken, schlägt der eine sofort den Deckel eines Köfferchens mit Bündeln von Banknoten zu, der andere verschanzt sich hinter seiner dunklen Sonnenbrille. Ich brauche keine Kartenlegerin zu konsultieren, um zu erraten, was sich hier beim Bürgermeister abspielt. Die beiden Burschen stinken kilometerweit gegen den Wind nach krummen Geschäften. Ihre schwarzen Nadelstreifenanzüge, die gelben Clownsschlipse und die auf Hochglanz polierten Schuhe verraten die Emporkömmlinge des algerischen Sozialismus, das heißt jene Zunft gewiefter Halunken, denen es gelungen ist, die Apparatschiks von der Notwendigkeit zu überzeugen, ihre Vorrechte auszunutzen, um Finanzimperien zu errichten und so für die neue Weltordnung besser gerüstet und mit mehr Sachkenntnis ausgestattet zu sein.
    »Sie hätten warten können, bis Sie an der Reihe sind, Monsieur Llob«, schimpft der Bürgermeister, der inzwischen hinzugetreten ist. »Sehen Sie nicht, daß wir beschäftigt sind?«
    »Das sehe ich nur allzu gut, Herr Bürgermeister.«
    Die beiden Anzugträger wittern die Gefahr. Sie sammeln ihren Kram zusammen und suchen das Weite.
    »Eine derartige Unverfrorenheit ist mir im Leben nicht begegnet«, faucht er.
    »Und mir ist es zuwider, wenn ich angerempelt werde. Sie hätten mir Ihr Zirkustier nicht ins Hotel schicken sollen. Ich mußte deswegen auf meine Siesta verzichten.«
    Plötzlich steht der Bürgermeister auf, geht um den Tisch herum und faßt nach meiner Hand. In Algerien bedeutet diese Geste ein Zeichen der Versöhnung. Wenn dein Gegner dich am Handgelenk packt und dich zu sich herüberzieht, will er das Kriegsbeil begraben - und dich gleich mit.
    »Ich bin von der Polizei.«
    Er runzelt die Stirn. »Polizei? Hat es in meiner Stadt einen Mord gegeben, ohne daß ich darüber informiert wäre, Inspektor?«
    »Kommissar«, stelle ich richtig.
    Er schiebt einen Stuhl in meine Richtung und gießt mir ein Glas Tee ein.
    »Ich kann Ihnen nicht folgen, Kommissar.«
    Seine Hand zittert. Der Pitbull, der mir in der Hotelhalle eben noch gedroht hat, mich in einem Bissen zu verschlingen, zieht seine Krallen ein. Er hat sich dazu entschlossen, mit mir zu reden.
    »Ich untersuche die Ereignisse vom Juli und August 1962.«
    »Ich sehe da keinen Zusammenhang mit der Polizei.«
    »Ist auch nicht nötig, Monsieur Khaled ... Haben Sie während des Krieges hier in der Gegend operiert?«
    »Selbstverständlich. Ich bin gleich nach Ausbruch des bewaffneten Aufstands zur ALN gestoßen.

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