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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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so unecht ist wie sein Lacoste-Gürtel.
    Ich beuge mich zu ihm herüber und flüstere ihm ins Ohr: »Du solltest dir eine Unterhose vors Gesicht hängen.«
     
    Auf dem Parkplatz wartet ein Mann auf mich. Er ist schlampig gekleidet, schlecht rasiert und scheint ziemlich betrunken zu sein. Als er mich erblickt, nimmt er Haltung an.
    »Bist du derjenige, der sich mit den Leuten von Sidi Ba anlegt?«
    »Kommt drauf an«, erwidere ich und öffne die Wagentür.
    Der Mann zeigt mit dem Daumen hinter sich.
    »Dieser Bürgermeister da ist ein Hurensohn ersten Ranges. Er hält sich für den lieben Gott und glaubt, daß das Kaff ihm gehört. Ich habe ihn kennengelernt, da war er zwanzig. Ein dreckiger Bauer, ein Schlappschwanz und Versager. Er erzählt überall rum, daß er wegen revolutionärer Aktivitäten im Gefängnis war. Das ist nicht wahr. Er hat niemals beim FLN gekämpft. Er wußte nicht mal, was das ist, vor der Unabhängigkeit. Ein ganz gewöhnlicher Viehdieb, der hat die Herden überfallen, weiter nichts. Er wurde von einem Bauern gestellt, als er gerade in eine Koppel eindringen wollte.«
    Ich lasse den Motor an.
    Der Mann stößt mich zur Seite und dreht den Zündschlüssel um.
    »Was willst du?« frage ich gereizt.
    »In der Stadt erzählt man sich, daß du der Wahrheit hinterherjagst. Ich kenne einen Teil davon. Mußt nicht denken, daß ich ein Penner bin. Ich seh aus wie ein Lumpensammler, stimmt, aber das war nicht immer so. Ich war mal ein hohes Tier und bin Luxusschlitten gefahren. Du weißt doch selber, wie es in diesen totgeborenen Republiken zugeht. Heute wirst du beweihräuchert und morgen ausgeräuchert. Wenn ich die Leiter runtergepurzelt bin, dann nur, weil ich anständig geblieben bin. Unter Gaunern und Opportunisten wird eine ehrliche Haut nicht lange geduldet. Und ich bin nicht der einzige, da wirst du mir zustimmen. Also, willst du sie hören, diese verfluchte Wahrheit?«
    Unter seiner abgewetzten Jacke holt er ein mit einem Gummiband zusammengehaltenes Papierbündel hervor.
    »Hier, das ist mein Kämpferausweis. Ich war Offiziersanwärter in der ALN. Und das hier, das ist mein Parteibuch. Ich war Funktionär auf Bezirksebene. Und das ist mein Dienstauftrag, als mich der Rais persönlich zum Unterpräfekten ernannt hat, 1963 ...«
    Um uns hat sich eine neugierige Menschenmenge gebildet.
    »Steig ein«, fordere ich den Unbekannten auf.
    Der Mann verstaut seinen Papierkram wieder unter der Jacke und zeigt den Gaffern einen Stinkefinger, bevor er sich auf den Beifahrersitz fallen läßt.
    »Die Drecksäcke. Die werden noch von mir hören.«
    »Wohin fahren wir?«
    »Wohin du willst. Die können mich alle mal am Arsch lecken.«
    »In mein Hotel?«
    »Von mir aus.«
    Die Menge weigert sich, den Weg frei zu machen, ein paar Jungen werfen uns Steine hinterher. Ich lege den Rückwärtsgang ein, fahre in falscher Richtung durch eine Einbahnstraße, finde irgendwie wieder raus und lasse in rasendem Tempo das Gegröle, das uns immer noch verfolgt, hinter mir.
    »Mußt nicht denken, daß die Leute Fremde nicht mögen«, sagt mein Fahrgast. »Es gibt Typen, die sind nicht in der Lage, sich selbst ein Urteil zu bilden. Wenn ihnen jemand was Schlechtes über dich erzählt, spucken sie auf der Stelle vor dir aus, verkündet derselbe aber, daß du vom Himmel geschickt bist, werfen sie sich dir zu Füßen, verstehst du? Das sind einfach nur Wetterfahnen, die sich nach dem Wind drehen. Und wenn sich kein Lüftchen regt, kann man sich nur schwer vorstellen, daß sie aus Fleisch und Blut sind und überhaupt noch atmen.«
    »Glaubst du, daß man sie gegen mich aufgehetzt hat?«
    »Die Leute hier werden nach Strich und Faden manipuliert. Die ganze Stadt weiß, weshalb ihr hier seid, du und dein kleines Fräulein. Man sagt, daß ihr gekommen seid, um die Stadt in Verruf zu bringen, daß ihr Kommunisten, Atheisten und Feinde der Revolution seid. Daß ihr bloßen Unsinn schreibt und versucht, unsere Märtyrer mit Dreck zu bewerfen. Es ist immer dasselbe Lied, wenn Fremde den Filz bei uns unter die Lupe nehmen wollen. Man wiegelt die Menge gegen die unerwünschten Personen auf und läßt ihrem Zorn freien Lauf. Und wenn dann ein Unglück passiert, kann man nicht alle bestrafen.«
    »Ist so etwas schon passiert?«
    »Ein Unglück? Es ist hier zu Hause.«
     
    Soria hat ihre Bluse gegen ein hochgeschlossenes, granatrotes Maohemd getauscht. Das zu einem Knoten zusammengesteckte Haar gibt ihre eigensinnige Stirn frei, und ihre

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