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Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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aufbrach, Teile alter Holznägel, eine rostige Wagenfeder, 58er Miniékugeln, verwitterte Blechstücke, die von Zündhütchen stammten, einen verrotteten Stiefel und ein Koppelschloss aus Messing zutage gefördert, auf dem die Buchstaben
CSA
eingeprägt waren – die Überreste eines konföderierten Lagers, das vermutlich im Jahre 1863 von der Unionsarmee überrannt worden war.
    Ich hatte Batist kennen gelernt, als ich noch ein kleiner Junge war und er ein Teenager, der als Schmiedegehilfe in einem weitläufigen, scheunenartigen roten Bau auf einer grünen Wiese draußen an der West Main Street arbeitete. Batists Arbeitgeber war ein gebrechlicher, uralter Mann namens Mr. Antoine, einer der letzten noch lebenden Veteranen der konföderierten Armee im Staat Louisiana. Tag für Tag saß Mr. Antoine mit seinen roten Hosenträgern, dem Strohhut und den Hautlappen an seinem Hals, die wie ein umgekehrter Hahnenkamm nach unten hingen, unter dem offenen Tor seiner Schmiede, um ein bisschen Luft zu schnappen.
    Jeder, der Lust dazu hatte, konnte vorbeikommen und sich Geschichten aus »dem Krieg« anhören, wie er ihn nannte.
    Nur wenige taten es.
    Aber eine, die er Batist und mir erzählte, werde ich nie vergessen.
    Es geschah bei Jubal Earlys letztem Angriff auf die Unionsarmee, kurz vor der Kapitulation des Südens bei Appomattox. Ein vierzehnjähriger Trommlerjunge aus Alabama war der einzige nicht verwundete Überlebende seiner Einheit. Doch statt sich zu ergeben oder davonzulaufen, band er eine konföderierte Kriegsflagge an eine ungeladene Muskete, stieg auf ein Pferd und rückte auf die Stellungen der Union vor. Er ritt zweihundert Meter weit durch ein von Kugeln zerfetztes und mit toten Südstaatlern übersätes Maisfeld, hielt die Fahne die ganze Zeit hoch über dem Kopf und hatte den Blick unverwandt auf die Steinmauer gerichtet, hinter der fünftausend Unionssoldaten warteten und ihm ungläubig entgegenschauten.
    Keiner feuerte seine Waffe ab.
    Stattdessen packten ihn drei Unionssoldaten, als sich sein Pferd den Hang hochgekämpft hatte und durch eine Bresche in der Mauer stürmte, zerrten ihn aus dem Sattel, nahmen ihm die Flagge ab und rangen ihn zu Boden. Der Junge schlug und trat wild um sich, bis einer der Soldaten in Blau sagte: »Mein Sohn, du musst dich nicht mehr prüfen. Du bist jetzt auf der Seite des Herrn.«
    Mr. Antoine schlug sich auf die Schenkel und johlte vor Vergnügen über seine Geschichte und alles, wofür sie stand, was immer das auch sein mochte.
    Später las ich in einem Bericht über den Angriff auf den Cemetery Ridge eine ganz ähnliche Geschichte. Vielleicht war das alles nur Legende. Aber wenn man auch nur einmal anzweifelte, dass Mr. Antoine wahrhaft ein Veteran des Bürgerkriegs war, forderte er einen auf, die verkapselte Revolverkugel zu betasten, die wie ein Spatzenei unter seinem rechten Ellbogen hervortrat.
    Der Witz an der Sache war, dass der Mann, der vermutlich mehr Berichte aus erster Hand über Mr. Antoines Krieg kannte als sonst jemand, dass dieser Mann, der sein Gemüse auf den Überresten eines konföderierten Feldlagers zog, ein Nachkomme von Sklaven war, weder lesen noch schreiben konnte und infolgedessen von niemandem als Zeitzeuge zurate gezogen wurde.
    Er trug ein Paar Slipper, eine aus Marinebeständen stammende Latzhose und ein bis zum Hals zugeknöpftes Drillichhemd, als er uns die Tür aufmachte. Dann setzte er sich mit der Suppe an den Tisch. Zwischen den Bäumen hinter dem Haus schimmerte der Bayou in der Sonne.
    »Fat Daddy Babineau hat mir ’n paar Schweinekoteletts gebracht, aber die bekommen einem nicht, wenn man sich den Magen verrenkt hat. Ich wollt ihn bloß nicht kränken.«
    »Kommst du alleine zurecht?«, fragte ich.
    »Ich werd schon wieder.« Er blickte zu Alafair, die ein paar Miniékugeln auf seinem Küchenregal musterte. Dann schaute er wieder zu mir.
    »Was ist los?«, fragte ich.
    »Fat Daddy is’ grad gegangen. Ich wollt dich schon anrufen.« Er blickte mich unverwandt an.
    »Alf, hast du Lust, mit dem Pick-up zu den Four Corners zu fahren und zwei Liter Milch zu holen?«, fragte ich.
    »Du willst mich wohl loswerden? Ganz schön raffiniert. Aber ... na schön«, sagte sie, streckte eine Hand nach den Schlüsseln aus und stützte die andere in die Taille.
    »Fat Daddy hat gesehn, wie dieser Mann mit seiner Piroge aus dem Sumpf gekommen is’«, sagte Batist, nachdem Alafair aus der Tür war. »Er und seine Frau sind am Ufer fischen gewesen, und

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