Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
wieder in der Dunkelheit.
»Was hältst du davon?«, fragte Helen.
»Ich kapier das nicht. Was hat er zu dem Mann gesagt, der unter dem Pick-up lag?«
Sie las es von ihrem Notizblock ab. »›Verdammt, ich erwisch einfach nie den Richtigen, egal ob Nigger oder weißer Mann.‹«
»Ich glaube, Aaron hat etwas vor, auf das noch keiner von uns gekommen ist«, sagte ich.
»Doch, Krieg gegen die Menschheit.«
»Darum geht’s nicht«, antwortete ich.
»Worum dann?«
Um seine Tochter, dachte ich.
An diesem Nachmittag besuchte ich Batist im Krankenhaus, fuhr danach in die Stadt, besorgte drei Pfund gefrorene Krebsschwänze und eine Packung Kartoffelsalat, damit Bootsie nicht groß kochen musste, und machte mich auf den Heimweg. Der Bayou lag bereits im Zwielicht, und die letzten Sonnenstrahlen fielen wie gesponnenes Gold durch die Bäume. Dunst stieg vom Wasser auf und verhüllte die wilden Elefantenohren, die dicht an dicht im seichten Wasser wucherten.
Mein Nachbar hängte die Weihnachtsbeleuchtung auf seiner Veranda auf und ließ nach wie vor den Rasensprenger laufen, der die Wacholderbüsche und Bäume auf seinem Grundstück unter Wasser setzte.
Es war ein herrlicher Abend, der einfach zeitlos schön wirkte, so losgelöst vom Hier und Jetzt, dass es einen nicht weiter gewundert hätte, wenn ein Austräger auf breiten Ballonreifen vorbeigeradelt wäre und eine zusammengerollte Zeitung in den Vorgarten geworfen hätte, auf der in dicken Lettern die Kapitulation des japanischen Kaiserreichs bekannt gegeben wurde.
Doch das erhabene Gefühl verging mir in dem Moment, in dem ich in die Auffahrt einbog und einen Wagen vor mir sah, aus dem ein schmächtiger Priester mit dunkler Kutte und weißer Kragenkrause stieg, der mich anfunkelte, als sei ich der Leibhaftige.
»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Pater?«, fragte ich.
»Ich möchte wissen, warum Sie Mister Dolowitz so quälen«, sagte er. Er schaute mich mit verkniffener Miene an.
Ich beugte mich vor, damit ich den Mann auf dem Beifahrersitz sehen konnte. Er hatte einen hellbeigen Derbyhut auf und blickte stur geradeaus.
»No Duh?«, sagte ich.
»Soweit ich weiß, sind Sie ein gläubiger Katholik«, sagte der Priester.
»Ganz recht.«
»Warum zwingen Sie dann diesen Mann zu etwas Unredlichem? Er ist völlig verschreckt. Was zum Teufel denken Sie sich dabei?«
»Ich glaube, hier handelt es sich um ein Missverständnis, Pater.«
»Dann erklären Sie mir doch bitte schön, worum es hier geht.«
Ich ergriff seine Hand, obwohl er sie mir nicht angeboten hatte. Sie fühlte sich federleicht an, wie Balsaholz, und passte ganz und gar nicht zu seiner aufbrausenden Art. Er hieß Pater Timothy Mulcahy, stammte aus der Gegend um den Irish Channel in New Orleans und war Pfarrer einer kleinen Kirche unweit der Magazine Street, deren Gemeindemitglieder zu alt oder zu arm waren, um fortzuziehen.
»Ich habe diesen Mann nicht unter Druck gesetzt, Pater. Ich habe ihm ausdrücklich gesagt, dass er es so halten kann, wie er mag«, sagte ich. Dann beugte ich mich zum Fenster hinab. »No Duh, sagen Sie Pater Mulcahy, wie es wirklich gewesen ist, sonst schlag ich Sie ungespitzt in den Boden.«
»Aha«, sagte der Priester. »Eindeutig kein Mann der Gewalt.«
»No Duh, es wird höchste Zeit...«, fing ich an.
»Der andre isses gewesen, Purcel, dieses Mistvieh, Pater. Aber Robicheaux is dabei gewesen«, sagte No Duh.
Der Priester zog die Brauen hoch, schaute mich schief an und lächelte schuldbewusst.
»Nun ja, tut mir Leid, wenn mir der Gaul durchgegangen ist«, sagte er. »Trotzdem hätten Sie Mister Dolowitz nicht zu einem Einbruch drängen dürfen«, sagte er.
»Könnten Sie uns einen Moment allein lassen?«, fragte ich.
Er nickte und wollte weggehen, fasste mich dann am Arm und nahm mich beiseite.
»Gehen Sie sanft mit ihm um. Der Mann hat Schreckliches durchgemacht«, sagte er.
Ich ging zum Wagen des Priesters und lehnte mich an die Tür auf der Beifahrerseite. Dolowitz nahm seinen Hut ab und legte ihn auf seine Knie. Er wirkte bedrückt, wächsern, so als habe er keinerlei Lebensmut. Nervös zupfte er an seinem Schnurrbart.
»Was ist passiert?«, fragte ich.
»Ich bin in Dock Greens Haus eingebrochen«, sagte er.
»Jemand hat den Schlüssel stecken lassen. Ich hab einen Bogen Zeitungspapier unter die Tür geschoben, den Schlüssel durchgestoßen und rausgezogen. Die haben mich beim Rausgehen erwischt. Sie haben nicht gewusst, dass ich drin gewesen bin,
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