Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Wally mit, dass ich etwas später kommen würde, und fuhr nach Lafayette.
Ich war auf der Pinhook Road, unten auf dem alten Teilstück, das noch von Bäumen gesäumt und nicht durch Einkaufszentren verschandelt war, als ich Karyn LaRose drei Wagen vor mir in einem frisch gewachsten gelben Celica sah. Die eine Spur war gesperrt, und vor der roten Ampel herrschte dichter Verkehr, aber niemand hupte oder versuchte einen anderen Fahrer zu schneiden.
Mit Ausnahme von Karyn.
Sie steuerte aufs Bankett, umfuhr eine Baustellenabsperrung, hüllte die anderen Wagen in eine Staubwolke ein und drängte sich kurz vor der Kreuzung wieder in die Spur.
Sie verstellte den Rückspiegel und betrachtete sich darin, reckte das Kinn und kratzte sich mit dem Fingernagel am Mundwinkel, ohne einen Blick für ihre Umgebung zu verschwenden. Kühles, grüngoldenes Sonnenlicht fiel blinkend durch das Eichenlaub über ihr. Sie warf die Haare zurück, setzte eine Sonnenbrille auf und trommelte mit dem Ringfinger ungeduldig auf das Lenkrad, so als gäbe sie widerwillig ein Gastspiel, obwohl das Publikum ihren Auftritt gar nicht verdient hatte.
Eine alte Schwarze, krumm und verhutzelt, mit einer dicken Brille und einem kleinen Handtäschchen, das an ihrem Arm baumelte, mühte sich mit ihrem Gehstock eine Seitenstraße entlang und winkte hektisch dem Bus zu, der gerade vorüberfuhr. Sie trug ein bedrucktes Kattunkleid und abgewetzte braune Schuhe, die nicht zugebunden waren, sodass man bei jedem Schritt die hellen, schwieligen Fußsohlen sah.
Karyn schaute zu ihr hin, steuerte auf den Seitenstreifen, stieg aus und hörte wortlos zu, während die Alte mit der Hand in der Luft herumfuchtelte und ihren Unmut über das öffentliche Nahverkehrssystem von Lafayette äußerte. Dann setzte sie ein Knie auf den Boden, band die Schuhe der Alten, fasste sie anschließend am Ellbogen, half ihr auf den Beifahrersitz und fuhr mit ihr bei gelber Ampel los, als habe sie nur kurz Halt gemacht und eine alte Freundin mitgenommen.
Ich bin davon überzeugt, dass sie mich nicht gesehen hat. Und dass es ihr nicht darum ging, vor aller Öffentlichkeit eine gute Tat zu vollbringen, denn zuvor hatte sie zur Genüge gezeigt, dass es ihr egal war, was man von ihr hielt. Ich wusste nur, dass es besser für mich war, wenn ich bei meiner eindimensionalen Sichtweise blieb, was Karyn anging, dass ich es mir nicht noch schwerer machen und ihr keine guten Seiten zugestehen durfte.
Zwanzig Minuten später teilte mir der Bauamtsleiter mit, dass das Sumpfgebiet rund um meinen Köderladen als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden sollte.
»Was heißt das?«, fragte ich.
»Als Lyndon Johnson seine Nachbarn loswerden wollte, hat er ihren Grund und Boden unter Landschaftsschutz stellen lassen ... ist bloß ein Scherz, Mister Robicheaux ... Sir, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich nicht so anschaun würden.«
Helen Soileau blickte zufällig vom Wasserspender auf, als ich vom Parkplatz aus durch die Hintertür in die Dienststelle kam. Sie richtete sich auf, steckte die Bluse mit den Daumen unter ihren Waffengurt und grinste mich an.
»Was ist so komisch?«, fragte ich.
»Ich kann dir eine klasse Geschichte über Aaron erzählen.«
»Amüsant finde ich ihn nicht unbedingt, Helen. Lass mich erst meine Post holen.«
Ich nahm die Benachrichtigungszettel und Briefe aus meinem Fach, blieb vor einem Getränkeautomaten stehen und wollte mir ein Dr. Pepper herauslassen. Obenauf lag ein mit Bleistift beschrifteter Umschlag, an mich adressiert, aber ohne Postleitzahl, der laut Stempel in Lafayette aufgegeben worden war. Ich wusste sofort, von wem er stammte.
Ich setzte mich auf einen Stuhl neben dem Getränkeautomaten und riss den Umschlag mit einem Finger auf, so als ziehe ich den Verband von einer Wunde. Ein mit Druckbuchstaben beschriftetes Papierhandtuch steckte drin.
Mr. Roboshow,
ich hab gedacht, Sie wärn ehrlich, aber Sie haben mich genauso angeschissen wie die andern. Gott sei Dank bin ich alt und hab das Gröbste hinter mir, sodass ihr mir nichts anhaben könnt. Aber das heißt nicht, dass ich Mitleid von Ihnen will, nein, Sir, bestimmt nicht, weil ich nämlich Sie und Ihresgleichen mein Leben lang erlebt habe und weiß, was Sie denken. Tun Sie also nicht so, als ob Sie was Bessres wären. Und bestellen Sie Buford LaRose, dem feigen Mistsack, dass ich erst eine alte Sache erledigen muss und ihn mir danach ebenfalls vornehme.
Sie dürfen diesen Brief jederzeit an die
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