Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
sonst wär ich nicht mehr am Leben«, sagte er.
»Wer hat Sie erwischt?«
»Persephone Green und ein Ausputzer, der für die Giacanos arbeitet, und ein paar andre Perverse, denen einer abgeht, wenn sie Menschen quälen können.« Zum ersten Mal schaute er zu mir auf. Seine Augen wirkten teilnahmslos, entrückt – ein seltsamer, unheimlicher Ausdruck, den wir in Vietnam den Tausendmeterblick genannt hatten.
»Was haben die mit Ihnen gemacht, Partner?«
Seine Finger krampften sich um den weißen Filzhut. »Lebendig begraben ...«, sagte er. »Was denn, überrascht? Glauben Sie, nur Dock hat diese Macke mit Gräbern und Toten unter der Erde, mit denen er redet? Er und Persephone sind vom gleichen Schlag. Sie hat das für komisch gehalten. Sie hat gelacht, als sie mir einen Gartenschlauch in den Mund gesteckt und mich mit einem Frontlader eingegraben haben. Es war, als ob ich in schwarzem Beton stecke – kein Ton zu hören, und geatmet hab ich bloß das bisschen schlechte Luft, das durch den Schlauch gekommen is’. Die haben mich erst heut früh wieder ausgegraben. Ich hab in die Hosen machen müssen.«
»Tut mir Leid, No Duh. Aber ich habe Ihnen nicht befohlen, in Docks Haus einzubrechen.«
»Was hätt ich denn sonst machen sollen? Mich in den Flugzeugpropeller halten lassen, weil ich meine Schulden bei Wee Willie wieder nicht abstottern kann? Besten Dank für die mitleidige Tour.«
»Ich habe ein Zimmer hinten im Köderladen. Sie können dort bleiben, bis wir die Sache mit Wee Willie bereinigt haben.«
»Das würden Sie tun?«
»Klar.«
»Hier draußen wimmelt’s von Schlangen. Wollen Sie was über Dock wissen? Persephone hat ihn rausgeschmissen, nachdem sie ihn beim Bumsen mit seinen Bräuten erwischt hat.«
»Das ist nichts Neues, No Duh.«
»Ich hab in seinen Schreibtisch geschaut. Der is’ voller Baupläne für Krankenhäuser. Sanatorien für Säufer und Süchtige. Außerdem war da ein stornierter Scheck von Jimmy Ray Dixon. Nun überlegen Sie mal.«
»Was?«
»Dock liefert die Bräute für sämtliche geilen Böcke beim Mob. Das is’ der einzige Grund, weshalb die ’nen Irren wie den zu sich lassen. Aber der macht kein Geschäft, an dem er die Spaghettis nicht beteiligt. Seit wann arbeitet der Mob denn mit Farbigen? Wundert es Sie etwa, wieso die Stadt so im Eimer is’?«
»Wer hat Jerry Joe Plumb beseitigen lassen, No Duh?«
»Er selber.«
»Jerry Joe hat sich selber beseitigen lassen?«
»Er hat ständig über Sie geredet, dass eure Mütter früher zusammengearbeitet haben, dass er früher bei Ihnen daheim immer Schallplatten gehört hat. Und gleichzeitig hat er mit den Giacanos gemauschelt, hat Geld für sie gewaschen und so getan, als könnte er auf beiden Seiten mitspielen ... Das kapiern Sie nicht, was? Wissen Sie, was einen in New Orleans umbringt? Wenn die einem in die Augen schaun und merken, dass du nicht so bist wie sie, wenn sie merken, dass du nicht bereit bist, Sachen zu machen, an die die meisten Leute nicht mal denken wollen. Dann schlitzen sie dich auf, vom Sack bis zur Gurgel, und essen nebenbei ’n Sandwich.«
Ich holte meine Einkaufstüte mit den gefrorenen Krebsschwänzen und dem Kartoffelsalat aus dem Pick-up und warf einen Blick zu dem Priester, der am Ende des Anlegestegs stand und einen über die Zypressen hinwegstreichenden Entenschwarm betrachtete. Seine Haare waren schneeweiß, und das Gesicht wirkte im schwindenden Licht rot und wettergegerbt. Ich fragte mich, ob er im Traum von den Berichten aus einer dunklen Welt heimgesucht wurde, die Männer wie Dolowitz ihm beichteten, oder ob er erst schlafen konnte, nachdem er auch sich Absolution erteilt hatte, ihre Sünden aus seinem Gedächtnis tilgte und Abbitte dafür leistete, dass er zum Mitwisser ihrer Missetaten geworden war.
Ich lief zwischen den dunkler werdenden Schatten der Bäume die Auffahrt hinauf und ging durch die Hintertür ins Haus.
33
Bei Sonnenaufgang saßen Clete Purcel und ich in meinem Pick-up an einer Seitenstraße neben dem Haus von Persephone und Dock Green im Garden District. Es war kalt draußen, und das zweistöckige Antebellum-Haus und die weiße Ziegelmauer, die den Garten umgab, waren in Nebel gehüllt. Clete hatte eine Schachtel Donuts mit Gelee auf dem Schoß und einen großen Styroporbecher voller Kaffee in der Hand.
»Ich glaub’s immer noch nicht, dass ich in aller Herrgottsfrühe auf bin, bloß damit No Duh nicht den Arsch voll kriegt«, sagte er. Als ich nicht darauf
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