Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
war beschlagen, aber ich sah Clete Purcel am Tresen sitzen. Er hatte einen Korb mit Stangenbrot, ein Whiskeyglas und einen Bierkrug vor sich stehen und las die Titelseite der
Times-Picayune.
»Hey, Großer«, sagte er, faltete die Zeitung zusammen und grinste breit, als ich durch die Tür kam. Er hatte ein rundes Irengesicht mit einer Narbe, die sich quer über die Nase und durch eine Augenbraue zog. Der Seersucker-Anzug und der blaue Porkpie-Hut wirkten an seinem massigen Leib geradezu lächerlich. Unter seinem Sakko konnte ich das Nylonschulterholster und den blauschwarzen 38er Revolver sehen. »Mitch, gib Dave ein Dutzend«, sagte er zu dem Kellner hinter dem Tresen, dann wandte er sich wieder mir zu. »Wart mal ’nen Moment.« Er kippte sich den Whiskey hinter die Binde, spülte mit dem Bier nach, stieß den Atem aus und riss die Augen auf. Er nahm den Hut ab und wischte sich mit dem Jackenärmel über die Stirn.
»Du musst ja einen harten Morgen hinter dir haben«, sagte ich.
»Ich habe ein Auto zurückholen helfen, weil der Typ die Prämie für seine Kaution nicht bezahlt hat. Seine Frau ist durchgedreht, hat gesagt, er kommt jetzt nicht mehr zur Arbeit, seine Kinder haben im Vorgarten rumgeschrien. Da wird dir der Sinn des Daseins richtig klar. Heute Abend muss ich ’n Ausgebüchsten in den Iberville Projects aufgreifen. Und ich hab noch ’n andern, der sich draußen im Desire versteckt. Willst du noch mehr hören?«
Der Kellner stellte ein rundes Metalltablett mit rohen Austern vor mich hin. Die Schalen waren vom Eis kalt und glitschig. Ich drückte eine Zitrone über den Austern aus und gab einen Spritzer Tabasco dazu. Draußen bog die grün gestrichene eiserne Straßenbahn scheppernd um die Ecke an der Canal Street und fuhr auf der St. Charles Avenue weiter in Richtung Lee Circle.
»Aber egal, verklicker mir noch mal dieses Zeug von wegen Mingo Bloomberg«, sagte Clete.
Ich erzählte ihm die Geschichte von Anfang an. Zumindest den Großteil.
»Was könnte Bloomberg nur mit jemandem wie Aaron Crown am Hut haben?«, fragte ich.
Clete kratzte sich mit vier Fingern an der Backe. »Das kapier ich auch nicht. Mingo ist ein gemachter Mann. Der gluckt mit dem Mob zusammen, seit er in die Besserungsanstalt gekommen ist. Die Schmalztollen haben mit Hinterwäldlern nichts im Sinn, und Schwarze halten sie grundsätzlich für Kannibalen. Ich weiß nicht, Streak.«
»Wie siehst du die Sache mit dem ermordeten Drehbuchautor?«
»Womöglich zur falschen Zeit am falschen Ort.«
»Warum hat der Schütze das Mädchen ziehen lassen?«, fragte ich.
»Vielleicht wollte er keine Schwester allemachen.«
»Komm schon, Clete.«
»Er hat gewusst, dass sie ohne Erlaubnis der Familie Giacano im Quarter nicht anschaffen gehen kann. Was wiederum heißt, dass sie einen gewissen Mindestsatz an Jungs abgibt, mit denen man sich lieber nicht anlegt.«
»Was aber auch heißt, dass der Kerl ein Profi ist«, sagte ich.
Er zog die Augenbrauen hoch und zündete sich eine Zigarette an. »Das könnte schon sein, mein Bester, aber meiner Meinung klingt das alles nach einem Haufen Schweiß, den du hinten und vorne nicht gebrauchen kannst«, sagte er. Als ich nicht antwortete, sagte er: »Warum lässt du also nicht die Finger davon?«
»Ich will nicht das Gesprächsthema von Leuten wie Mingo Bloomberg sein.«
Er musterte mich mit seinen grünen Augen.
»Bist du sauer auf Buford LaRose, weil er dir ’n Job angeboten hat?«, fragte er.
»Das hab ich nicht gesagt.«
»Ich hab das Gefühl, dass es irgendwas gibt, was du mir nicht erzählst. Was war das für eine Sache mit seiner Frau?« Er schaute mich nach wie vor prüfend an, verzog grinsend die Mundwinkel.
»Würdest du das lassen?«
»Ich empfange seltsame Signale, Großer. Geht’s hier etwa um ein altes Techtelmechtel?«
Ich steckte mir eine Auster in den Mund und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Doch es war sinnlos. Selbst seine ärgsten Gegner mussten zugeben, dass Clete Purcel einer der besten Ermittler gewesen war, die das New Orleans Police Department je gehabt hatte, bis er sein Leben mit Schnaps und Pillen versaute, unter Mordverdacht geriet und nach Mittelamerika fliehen musste.
»Und jetzt versucht sie dich also kirre zu machen?«, fragte er.
»Musst du es so ausdrücken? Ja, na schön, möglicherweise.«
»Wozu? ... Weißt du, dass dir der Schweiß vom Kopf läuft?«
»Das kommt vom Tabasco. Clete, würdest du bitte lockerlassen?«
»Schau, Dave,
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