Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
hab einen Durchgeknallten im Laden. Außerdem hat er womöglich ein Boot gestohlen«, sagte ich.
»Ist der Gouverneur in der Stadt?«
»Lass das Geschwafel, Wally.«
»Du tust mir unrecht ... Soll ich ’n Streifenwagen vorbeischicken, Dave?«
Ich konnte nicht mehr antworten. Der Mann mit dem weißen Strohhut kam von hinten, hatte die Hand oben in dem eingerollten Schlafsack stecken. Ich schaute ihm ins Gesicht, ließ das Telefon fallen und stieß krachend gegen die Regale und den Butankocher, als er den Schlafsack samt der Scheide wegschleuderte und die Machete keine zwei Zentimeter vor meiner Brust durch die Luft schnitt.
Die scharf geschliffene Klinge durchtrennte die Telefonschnur und bohrte sich in die Hartholzkante des Tresens. Er beugte sich vor und holte erneut aus. Scheppernd schlug die Klinge an die Regalbretter, schlitzte Kartons voller Würmer und Erde auf und zerschmetterte einen Topf mit eingelegten Würstchen.
Batists rußschwarze Kaffeekanne köchelte auf dem Butangasbrenner. Der Griff fühlte sich in meiner bloßen Hand an wie heißer Draht. Ich kippte dem Mann den Kaffee samt Deckel und Satz ins Gesicht, sah seinen erschrockenen Blick, sah, wie er den Mund aufriss, wie ihm ein Schmerzensschrei im Hals hochstieg wie eine geplatzte Luftblase.
Dann packte ich den tätowierten Unterarm, mit dem er die Machete schwang, und drückte die Kanne drauf.
Er schleuderte die Machete von sich, als ob er sich die Finger daran verbrannt hätte. Ich dachte, damit hätte ich gewonnen. Hatte ich aber nicht.
Er erwischte mich härter, als ich je im Leben getroffen worden bin – ein Schlag, bei dem ich das Gefühl hatte, als ob mir tausend Nadelstiche durch die Nase schössen und die Augen tief in die Höhlen getrieben würden.
Ich rappelte mich wieder auf und versuchte ihm zu folgen, als er hinaus zum Bootsanleger stürmte. Die eine Gesichtshälfte wurde bereits taub und tobte, als ob jemand ein Stück Trockeneis dagegen presste. Der Mann mit dem weißen Strohhut war vom Anlegesteg zur Betonrampe hinabgesprungen, setzte ein Knie auf den Bug seines Bootes und schob es in die Strömung. In der feuchten Luft und dem gleißenden Licht sah er aus, als wäre er von einem Heiligenschein umgeben.
Batist kam aus dem Schuppen unter den Weiden, wo wir unsere Außenbordmotoren verstauten, schaute erst zu mir und dann zu dem fliehenden Mann.
»Batist, nein!«, sagte ich.
Batist und ich standen reglos da, als der Mann mit einer schnellen Armbewegung den Motor anwarf, einmal aufheulen ließ und mit einer langen gelben Schaumspur hinter der Biegung in der Dunkelheit verschwand.
Ich rief vom Haus aus noch mal bei der Dienststelle an, dann ging ich wieder hinunter zum Bootsanleger. Der Mond über dem Sumpf war verhangen; Blitze zuckten am pechschwarzen Himmel im Süden.
»Wieso hast du nicht gewollt, dass ich ihn aufhalt, Dave?«, fragte Batist.
»Der ist durchgedreht. Meiner Meinung nach PCP«, sagte ich. Doch das verstand er nicht. »Man nennt es auch Angeldust. Man wird davon high, und manche Leute fallen dann mit bloßen Händen über eine Ziegelmauer her.«
»Er hat gewusst, wer du bist, Dave. Der hat nichts dergleichen getan, als ob er reinwill. Bis er dich gesehn hat... Und angefangen hat alles das mit dem alten Mann aus dem Zuchthaus.«
»Was willst du damit sagen?«
»Mit dem Wärter, demjenigen, den du Cap nennst, dem, der wahrscheins schon seit fünfzig Jahren droben auf der Sträflingsfarm Nigger umbringt. Ich hab dir gesagt, dass seinesgleichen nix in unserm Laden verloren hat. Wenn du zulässt, dass der sein Geraffel vor deiner Tür ablädt, hast du’s, eh du dichs versiehst, in deinem Haus. Aber du willst ja nicht hören.«
Er zog seine zusammengefaltete Mütze aus der Gesäßtasche, schüttelte sie auf und setzte sie sich auf den Kopf. Ohne mir Gute Nacht zu wünschen, ging er den Bootsanleger entlang zu seinem Pick-up. Das Blechdach des Köderladens ächzte und knarrte im Wind, der stramm von Süden blies.
5
Am Montagmorgen war der Himmel wieder blau, und ein warmer Wind wehte vom Golf, als ich auf das Gelände der University of Southwestern Louisiana in Lafayette fuhr, wo ich mit Buford LaRose reden wollte. Die Mittagspause hatte gerade begonnen, und auf den gepflasterten Wandelgängen unter den Kolonnaden wimmelte es von Studenten, die auf dem Weg zur Mensa waren. Doch Buford LaRose war weder in seinem Büro im Fachbereich Anglistik noch im Campusrestaurant, das sich oberhalb eines von
Weitere Kostenlose Bücher