Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Unterarme waren kräftig, von dicken Adern durchzogen, sein Handschlag hingegen war überraschend weich und entwaffnend.
»Mein Name ist Lonnie Felton, Mister Robicheaux«, sagte er.
»Sie sind Filmregisseur.«
»Ganz recht.«
»Wie geht’s Ihnen, Sir?«
»Könnten wir vielleicht reingehen und ein paar Minuten miteinander reden?«
»Ich habe leider noch einen anderen Job, wenn ich mit dem hier fertig bin.«
Sabelle stand neben dem Kotflügel des Lincoln, bürstete ihre Haare, holte die Schminkdose aus ihrer Handtasche und puderte ihr Gesicht.
»Es gibt da gewisse Leute, die Aaron Crown im Knast heftig zusetzen«, sagte er.
»Dort herrschen raue Sitten. So ist das auch gedacht.«
»Wissen Sie, was die BGLA ist?«
»Die Black Guerilla Liberation Army?«
»Crown ist unschuldig. Meiner Meinung nach wurde Ely Dixon von zwei Klanmitgliedern aus Mississippi ermordet. Einer davon war womöglich bei der Autobahnpolizei.«
»Das sollten Sie dem FBI mitteilen.«
»Ich habe es vom FBI erfahren. Mir liegen die Aussagen von zwei ehemaligen Agenten im Außendienst vor.«
»›Ehemalig‹ scheint mir in diesem Zusammenhang das entscheidende Wort zu sein, Mister Felton«, sagte ich.
Er lachte laut auf. »Sie sind vielleicht ein verdammt sturer Hurensohn«, sagte er.
Ich stand aufrecht in dem Boot, das ich gerade ausschöpfte, kippte das Wasser in den Bayou und schüttelte die letzten Tropfen über dem Bug aus.
»Es interessiert mich nicht, wofür Sie mich halten, Sir. Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auf meinem Grund und Boden eine andere Ausdrucksweise gebrauchen würden«, sagte ich.
Er wandte den Blick in die Ferne, verkniff sich ein Lächeln und beobachtete einen Blaureiher, der sich aus einer Landzunge aufschwang und im Nebel verschwand.
»Einer unserer Autoren wurde im French Quarter ermordet«, sagte er. »Der Typ war ein bisschen meschugge, aber er hat es nicht verdient, dass man ihn umbringt. Ist doch nachvollziehbar, dass man da betroffen ist, nicht wahr?«
»Ich bin ab acht in der Dienststelle des Sheriffs zu sprechen. Wenn Sie uns etwas mitzuteilen haben, können Sie jederzeit vorbeikommen.«
»Sabelle hat mir gesagt, dass Sie ein intelligenter Mann sind. Wer hat denn Ihrer Meinung nach die großen Affären unserer Zeit aufgedeckt? My Lai, Watergate, den Drogenschmuggel durch die CIA, Reagans Waffengeschäfte in Nicaragua? Es war immer die Presse, nicht die Regierung, nicht die Polizei. Spielen Sie doch hier nicht den Unbedarften.«
Ich stieg vom Boot ins seichte Wasser und spürte, wie die Kälte durch meine Gummistiefel drang. Ich stellte die Schöpfkanne auf der Rampe ab, schlang mir die am Bug befestigte Zugkette um die Hand, räusperte mich, weil mir ein dicker Kloß im Hals steckte, und zerrte den Bootskiel über das wogende Moos am Fuß der Rampe.
Er nahm seine Brille ab, steckte sie lässig in die Brusttasche seines Hemds und lächelte mich unentwegt an.
»Danke für den Besuch«, sagte ich.
Ich ging die Rampe hoch und stieg dann die Treppe zum Bootssteg hinauf. Ich sah, wie er zu seinem Wagen ging und sich kopfschüttelnd an Sabelle wandte.
Im nächsten Moment war sie unterwegs, kam mit raschen Schritten zum Bootsanleger herunter und auf mich zu. Sie trug alte Jeans, ein Flanellhemd, rosa Tennisschuhe und ging x-beinig wie ein Teenager.
»Ich seh furchtbar aus. Er ist heut früh um fünf bei mir aufgekreuzt«, sagte sie.
»Du siehst gut aus, Sabelle«, sagte ich. »Wie immer.«
»Man hat Daddy in einen Zellenblock mit lauter Schwarzen verlegt.«
»Hört sich komisch an. Er kann doch darum bitten, dass er in Einzelhaft kommt.«
»Der geht eher drauf, als dass er eingesteht, dass er Angst hat. Unterdessen klaun sie ihm seine Zigaretten, spucken ihm ins Essen, schmeißen ihm allen möglichen Scheißdreck in die Haare, ohne dass sich irgendwer drum schert.« Ihre Augen wurden feucht.
»Ich rufe den Wachmann an, den ich kenne.«
»Die bringen ihn um, Dave. Ist nur eine Frage der Zeit.«
Oben am Fahrweg saß Lonnie Felton unterdessen wieder am Steuer seines Lincoln.
»Lass dich von diesem Felton nicht ausnutzen«, sagte ich.
»Mich
ausnutzen? Wer schert sich denn sonst um unsereins?« Im Sonnenlicht, das wie ein zarter Schleier durch die Zypressen fiel, wirkte ihr Gesicht trotz der Schminke nackt und bloß, durchscheinend wie feines Porzellan. Sie drehte sich um und ging wieder hinauf zum Fahrweg. Durch einen kleinen ausgefransten Riss hinten an ihrer Jeans schimmerte ihre
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