Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
rosa Unterwäsche.
Der Sheriff saß seitwärts gekehrt auf seinem Drehstuhl, hatte seine Zweistärkenbrille auf und bastelte Kamelienblüten aus rosa und weißem Krepppapier. Auf seinem Fensterbrett stand eine Reihe Topfpflanzen, die er täglich mit einer von Hand bemalten Teekanne goss. Er sah nicht aus wie ein Polizist, eher wie ein in die Jahre gekommener Kaufmann, was auch zutraf. Er hatte eine chemische Reinigung geleitet, bevor er in das Amt gewählt worden war; er war dankbar für jeden guten Ratschlag, und im Laufe der Jahre hatte er sich mit seiner Urteilskraft und Integrität unser aller Achtung erworben.
Einen Bereich seines Lebens aber hatte er uns immer vorenthalten – seine Dienstzeit bei der Ersten Marineinfanteriedivision, als er im Koreakrieg am Staudamm von Chosin stationiert war. Bis letztes Jahr, als er einen Herzanfall erlitten und mir auf seinem Krankenbett im Iberia General davon erzählt hatte, schwach und kaum der Stimme mächtig, von Signalhörnern, die von eisigen Höhenzügen widerhallten, und Wunden, die aussahen wie gefrorene Rosen im Schnee.
Ich setzte mich ihm gegenüber hin. Seine Schreibtischplatte war voller Kamelienblüten aus Krepppapier.
»Ich hab mich dazu breitschlagen lassen, bei der Bühnendekoration für die Schulaufführung von meiner Enkelin mitzuhelfen. Verstehen Sie was davon?«
»Nein, eigentlich nicht. Ein Filmregisseur, ein gewisser Lonnie Felton, ist heute Morgen bei mir gewesen. Sabelle Crown war auch dabei. Sie sagen, die Schwarzen bereiten Aaron Crown die Hölle auf Erden. Ich habe in Angola angerufen, aber niemand konnte mir weiterhelfen.«
»Bemühen Sie sich nicht drum. Wir haben ihn zum Aussätzigen gemacht.«
»Wie bitte?«
»Viele von uns, nicht alle, aber viele von uns, haben Farbige ziemlich übel behandelt. Aaron steht für alles, was an der weißen Rasse widerwärtig ist. Er sitzt also für uns ein.«
»Glauben Sie, dass diese Filmleute Recht haben und er wirklich unschuldig ist?«
»Das hab ich nicht gesagt. Schaun Sie, Menschen machen manchmal schlimme Sachen, vor allem, wenn sie im Rudel auftreten. Hinterher vergisst man so was gern. Aber es gibt immer jemanden in unserer Nähe, der uns daran erinnert, was wir getan haben oder wie wir mal waren. Aaron ist so jemand. Er ist der Schandfleck, der sich nicht wegputzen lässt... Hab ich irgendwas Komisches gesagt?«
»Nein, Sir.«
»Gut, weil das, worum es mir geht, wirklich nicht komisch ist. Karyn LaRose und ihr Anwalt waren heute Morgen hier.« Er stützte die Ellbogen auf seine Schreibunterlage und stieß eine unvollendete Papierblume beiseite. »Raten Sie mal, was sie mir über Ihren Hausbesuch gestern Abend erzählt hat.«
»Lieber nicht.«
»Sie haben es nicht als Vergewaltigung bezeichnet, falls Sie das erleichtert.« Er öffnete die Schreibtischschublade und las schweigend den Text auf seinem Notizblock. »Die Begriffe lauten ›unsittliche Annäherung‹, ›versuchte sexuelle Nötigung‹ und ›ungebührliches Verhaltens‹. Was haben Sie dazu zu sagen?« Er wandte den Blick ab, schaute mich dann wieder an und musterte mein Gesicht.
»Gar nichts. Es ist eine Lüge.«
»Ich wünschte, man würde sich vor Gericht einfach mit meiner Aussage abfinden, wenn es darum geht, einen Straftäter zu überführen. Ich wünschte, ich müsste keine Beweise vorlegen. Junge, wäre das toll.«
Ich berichtete, was geschehen war, spürte, wie mein Tonfall immer hitziger wurde, und wischte meine schwitzigen Hände an der Hose ab.
Sein Blick verweilte auf der Schramme an meiner Wange, die Karyn mir zugefügt hatte.
»Ich halte es ebenfalls für eine Lüge«, sagte er. Er ließ den Notizblock in die Schublade fallen und schob sie zu. »Aber ich muss nichtsdestotrotz eine interne Untersuchung durchführen.«
»Bin ich an den Schreibtisch verbannt?«
»Nein. Ich lass mir wegen irgendwelcher politische Interessen von niemandem vorschreiben, wie ich meine Dienststelle zu führen habe, und genau darum geht’s hier nämlich. Sie sind bei dieser Crown-Sache auf irgendwas gestoßen, was denen nicht in den Kram passt. Aber halten Sie sich von ihr fern.«
Ich hatte immer noch meine Morgenpost in der Hand. Obenauf lag eine rosa Anrufbenachrichtigung mit einer Mitteilung von Bootsie, die sich mit mir zum Mittagessen treffen wollte.
»Inwieweit wird das publik?«, fragte ich.
»Ich hab das Gefühl, dass sie nicht vorhat, die Sache publik zu machen. Das war – abgesehen davon, dass ich sie kenne – der
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