Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Mal an, tanzte dazu, grinste spitzbübisch und rollte mit Armen und Schultern wie ein kleiner Boxkämpfer.
Eines Tages, es war kurz nach Neujahr, kam mein Vater unverhofft von seiner Arbeit draußen im Meer nach Hause, wo er als Ölbohrer auf dem Turm der Bohrinsel arbeitete, hoch über der wogenden Dünung des Golfs von Mexiko. Er war nach einem Streit mit dem Bohrmeister gefeuert worden, und wie immer, wenn er seinen Job verlor, hatte er seinen restlichen Lohn für Whiskey in Provosts Bar und Geschenke für uns ausgegeben, als ob die nächste Gelegenheit, zu Glück und Wohlstand zu kommen, gleich um die Ecke läge.
Aber Jerry Joe hatte meinen Vater nie zuvor gesehen und war nicht auf ihn vorbereitet. Mein Vater stand im hellen Licht in der Tür, groß, grinsend und unanständig, ein Mann, der sich aus Spaß in Kneipen prügelte. Die schwarzen Haare auf seiner Brust quollen aus den beiden Flanellhemden, die er übereinander trug.
»Du kannst ziemlich gut tanzen. Aber du bist zu dürr. Wir müssen dich ein bisschen aufpäppeln. Kommt mit und schaut mal, was ich mitgebracht hab«, sagte er.
Er stellte einen Segeltuchbeutel mit Zugband auf den Küchentisch und packte ihn aus – geräucherte Enten, eingelegte Okraschoten und grüne Tomaten, eine Obsttorte, eingeweckte Erdbeeren, ein Glas mit gerösteten Schweineschwarten und eine Flasche Jax-Bier nach der anderen.
»Arbeitet deine Mutter auch in der Wäscherei? ... Dann liegt’s daran, dass du nicht richtig isst. Bestell deiner Mama das Gleiche, was ich immer zu seiner sag: Der Mann, dem der Laden gehört, is’ so knickrig, dass er beim Gehen quietscht«, sagte mein Vater. »Schau mich nicht so an, Dave. Der Mann stellt keine Weißen ein, wenn er sie nicht genauso behandeln kann wie die Farbigen.«
Jerry Joe ging wieder ins Wohnzimmer und saß eine ganze Weile allein auf einem Polstersessel. Im schwindenden Tageslicht klirrte das Eis an den Pecanbäumen neben dem Haus. Dann kam er in die Küche zurück und sagte, ihm sei schlecht. Mein Vater packte ihm ein Weckglas und zwei Räucherenten in eine Papiertüte und klemmte sie ihm unter den Arm. Dann fuhren wir ihn in der Dunkelheit nach Hause.
An diesem Abend konnte ich die Handkurbel für das Grammofon nicht finden, dachte aber, Jerry Joe hätte sie einfach verlegt. Tags darauf bekam ich eine erste Lektion darüber erteilt, wie ein Kind, das niemanden hat, dem es sich anvertrauen kann, mit unterschwelliger Wut und verletztem Stolz umgeht. Als der Schulbus auf der Schotterstraße hielt, an der Jerry Joe wohnte, sah ich eine zerrissene Papiertüte im Graben liegen, sah die von Hunden angefressenen Überreste der Räucherenten und die eingemachten Erdbeeren, die an den Scherben des zerbrochenen Weckglases klebten.
Er fragte nie wieder, ob er mit zu mir nach Hause kommen könne, und jedes Mal, wenn ich ihn traf, vermittelte er mir das Gefühl, als ob ich ihm etwas Wertvolles gestohlen hätte, nicht umgekehrt.
Clete parkte sein zerbeultes hellgrünes Cadillac-Kabrio neben der Bootsrampe und ging mit Jerry Joe den Steg entlang in Richtung Köderladen. Jerry Joe war ausgelassen, sichtlich begeistert von der Morgenfrische und dem Gefühl, alles im Griff zu haben. Sein Körper wirkte straff und sehnig, die dichten, welligen blonden Haare waren zurückgekämmt und ringelten sich leicht im Nacken. Er trug rotbraune Slipper mit Bommeln, eine beige Hose und ein weites marineblaues Sporthemd mit eingewebten Silberfäden. Sagte ich, er ging den Steg entlang? Das stimmt nicht. Jerry Joe tänzelte. Er ließ einen Panamahut um den Finger kreiseln, die Schenkel spannten sich unter der Hose, Schlüssel und Kleingeld klingelten in seinen Taschen, und die Muskeln an seinen Schultern traten hervor wie eingeöltes Tauwerk.
»Comment la vie,
Dave? Verkaufst du noch die Sandwiches mit Schinken und Eiern?«, fragte er und ging durch die Fliegengittertür, ohne auf eine Antwort zu warten.
»Warum machst du das, Clete?«, fragte ich.
»Es gibt schlimmere Typen«, erwiderte er.
»Wen denn?«
Jerry Joe kaufte sich am Tresen eine Dose Bier und einen Pappteller mit weißem Boudinaufschnitt und setzte sich hinten an einen Tisch.
»Du bist ja mal wieder der reinste Sonnenschein, Dave«, sagte Jerry Joe.
»Ich bin außer Dienst. Wenn es um Mingo geht, solltest du dich ans Büro wenden«, sagte ich.
Er musterte mich. An seinem rechten Augenwinkel war eine eingeringelte weiße Narbe. Er spießte mit einem Zahnstocher eine Scheibe Boudin
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