Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
anfühlten.
Kurz darauf zog ich meine Bürotür hinter uns zu. Seine weißen Haare waren fein wie Maisfasern, der runzlige Mund mit den roten Lippen erinnerte an eine alte Frau. Als er vor meinem Schreibtisch Platz nahm, galt sein Augenmerk offenbar hauptsächlich den beiden schwarzen Freigängern, die draußen den Rasen mähten.
»Ja, Sir?«, fragte ich.
»Ich habe mich in Ihre Angelegenheiten eingeschaltet. Ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht übel«, erwiderte er.
»Geht es um die LaRoses?« Ich versuchte mir ein Lächeln abzuringen.
»Sie ist zerknirscht ob ihres Verhaltens, obwohl ich der Meinung bin, dass ihr eigentlich der Hintern versohlt gehört. Stattdessen soll ich Ihnen jedoch ihre Bitte um Entschuldigung überbringen.« Der Akzent war weich, kehlig – Westtexas möglicherweise. Dann fielen mir bruchstückhaft biografische Details ein: dass er aus einer Pioniersfamilie stammte, ein mit Öl erworbenes Vermögen geerbt hatte, dazu die Skandale, die er in der Welt der Wissenschaft ausgelöst hatte und mit denen er sich schmückte wie mit einer zerfledderten schwarzen Flagge.
»Karyn hat gelogen, Doktor Mason. Böswillig und mit Bedacht. Man bekommt keine Absolution erteilt, wenn man einen Stellvertreter zur Beichte schickt.«
»Verdammt gut ausgedrückt. Wollen Sie mich auf den Parkplatz begleiten?«
»Nein.«
»Ihre Gefühle in allen Ehren, Sir. Da möchte ich mich nicht einmischen.« Er ließ den Blick zum Fenster schweifen und hob wegwerfend die Hand. »Eigentlich ändert sich doch gar nichts, nicht wahr?«
»Sir?«
»Die schwarzen Männer in Sträflingskleidung. Die noch immer als Schuldner der weißen Rasse schuften.«
»Der eine von den beiden hat seine Nichte missbraucht. Der andere hat seiner Frau mit einem Tapeziermesser das Gesicht zerschnitten.«
»Zwei rohe Kerle also, die vermutlich ihre gerechte Strafe bekommen haben«, sagte er, hielt sich an der Kante meines Schreibtischs fest und stand auf.
Ich begleitete ihn zur Hintertür. Draußen ging ein kühler Wind, der Staub und Papierfetzen über den Parkplatz fegte. Karyn, die nach wie vor mit Sonnenbrille und Schal vermummt war, schaute uns durch die Windschutzscheibe an. Clay Mason winkte mit seinem Stetson zu den Wolken hin, den Blättern, die im Wind tanzten.
»Hören Sie das Grollen? Bei Gott, das ist ein magisches Land. Bei jedem Gewitter ertönen die donnernden Hufe der Kavallerie«, sagte er.
Ich bat einen Deputy, Clay Mason den Rest des Weges zu begleiten.
»Seien Sie nicht zu hart zu den LaRoses«, sagte Mason, als ihn der Deputy am Arm nahm. »Sie gemahnen mich an Orpheus und Eurydike, die aus dem Reich der Toten flüchten wollen. Glauben Sie mir, mein Sohn, sie könnten ein bisschen Mitgefühl gebrauchen.«
Den musst du im Auge behalten, dachte ich.
Karyn beugte sich vor, leckte sich die Lippen, als wären es reife Kirschen, und ließ den Motor an.
Helen Soileau war aufgebracht, als sie an diesem Nachmittag in mein Büro kam.
»Übernimm mal ein Gespräch von mir«, sagte sie.
»Was ist los?«
»Mingo Bloomberg. Wally hat ihn aus Versehen zu mir durchgestellt.«
Ich drückte auf die leuchtende Taste und nahm den Hörer ab. »Wo sind Sie, Mingo?«, fragte ich.
»Sie haben Short Boy Jerry gesagt, dass er mir Druck machen soll«, erwiderte er.
»Falsch.«
»Sie können mir viel erzählen. Der Anwalt hat meine Kaution zurückgezogen. Ich hab wieder diesen Zeugenkrempel am Hals.« Im Hintergrund fuhr quietschend und scheppernd die Straßenbahn vorbei.
»Was wollen Sie?«, fragte ich.
»Ein Angebot.«
»Tut mir Leid.«
»Ich lass mich nicht als der letzte Dreck hinstellen.«
»Sie haben das Mädchen ertrinken lassen. Wenn Sie Mitleid wollen, sind Sie an der falschen Adresse.«
»Sie wollt ’n paar Rippchen. Ich bin in den Farbigenschuppen in St. Martinville gegangen. Als ich wieder rausgekommen bin, war die Karre weg.«
Ich konnte seine Atemzüge hören.
»Ich hab bei Buford LaRose Geld abgeliefert«, sagte er.
»Wie viel?«
»Woher soll ich das wissen? Es war in ’ner verschlossenen Aktentasche. Sie war schwer, so als ob sie voller Telefonbücher war.«
»Wenn das alles ist, was Sie zu bieten haben, sind Sie im Arsch.«
»Der Typ, der Gouverneur werden will, nimmt Kohle von Jerry Ace. Klingelt’s da nicht bei Ihnen?«
»Wir überprüfen keine Wahlkampfspenden, Mingo. Rufen Sie uns an, wenn es Ihnen ernst ist. Ich bin im Augenblick beschäftigt«, sagte ich. Ich legte auf und schaute zu Helen, die
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