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Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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mit einer Hinterbacke auf meiner Schreibtischkante hockte.
    »Hast du vor, ihn da draußen frei rumlaufen zu lassen?«, fragte sie.
    »Entweder er kommt zu uns, oder er landet im Stadtgefängnis von New Orleans. Ich glaube, dass er sich uns stellt und dann zusieht, ob er an unsere Zeugen rankommt.«
    »Ich hoffe es. Ja, von ganzem Herzen.«
    »Was hat er zu dir gesagt?«
    »Oh, darüber werde ich mich irgendwann mit ihm unterhalten.« Sie schlug ein Buch auf, das auf meinem Schreibtisch lag. »Wieso liest du griechische Götter- und Heldensagen?«
    »Dieser Kerl, dieser Clay Mason, hat die LaRoses mit Orpheus und Eurydike verglichen ... das sind zwei griechische Sagengestalten«, sagte ich. Sie überflog etliche Seiten, dann schaute sie mich wieder an. »Orpheus ist in die Unterwelt gegangen, um seine tote Frau zurückzuholen. Aber er hat es nicht geschafft. Hades hat sie beide gekriegt.«
    »Interessant«, sagte sie. Sie schlug das Buch zu, stand auf und schob ihre kurzärmlige weiße Bluse mit beiden Daumen in den Waffengurt. »Bloomberg fährt wegen Totschlags ein, Dave, weil er sich unerlaubt vom Unfallort entfernt hat und dadurch ein Mensch gestorben ist, wegen Entführung, wegen allem, was wir ihm anhängen können. Keinerlei Kuhhandel, keine mildernden Umstände. Diesmal kriegt er die Höchststrafe.«
    »Warum auch nicht?«
    Sie beugte sich über den Schreibtisch und schaute mich an. Ihre Oberarme traten rund und hart unter den Ärmelaufschlägen hervor.
    »Weil dir wegen Karyn LaRose der Arsch auf Grundeis geht«, sagte sie.
    In dieser Nacht träumte ich wieder einmal von Victor Charles, der durch ein mondbeschienenes Reisfeld kroch. Der schwarze Pyjama klebte wie angegossen an seinem Leib, sein spitzes Gesicht war hart und knöchern wie das Antlitz einer Schlange. Er war mit Schlamm und menschlichem Kot verschmiert, der im Wasser trieb, doch das Zielfernrohr auf seinem französischen Gewehr war durch ein Futteral geschützt und trocken, der Kammerstängel sauber, das Schloss gut geölt, und über die Mündung hatte er ein Kondom gestülpt, das von einem toten GI stammte. Er war ein altgedienter Soldat, der bereits gegen die Japaner, die Franzosen und die deutsch sprechenden Fremdenlegionäre gekämpft hatte. Und jetzt hatte er es mit einer neuen, höchst merkwürdigen Horde von Neokolonialisten zu tun, mit Jungs, die aus kleinen Verhältnissen stammten, aus Slums und Kuhkaffs, die ganz und gar nicht Victor Charles’ Vorstellung von Amerika entsprachen.
    Er konnte sich in ein Stück Holz verwandeln, wenn über ihm die Leuchtkugeln losgingen, lautlos den Drahtverhau durchschneiden, der mit Blechbüchsen behängt war, die bei der geringsten Berührung wie Kuhglocken schellten, wusste, dass er sich tief im Blattwerk verstecken musste, damit man sein Mündungsfeuer nicht sah, achtete auf die Stimmen, die er hinter den Sandsäcken hörte, und wartete darauf, dass ein weißes oder schwarzes Gesicht im Schein eines Feuerzeugs aufleuchtete.
    Mit etwas Glück erwischte er wenigstens zwei, vielleicht sogar drei, bevor er wieder im Gestrüpp verschwand. Dann zog er sich auf dem gleichen Schleichweg zurück wie eine Schlange, die sich in ihrem Bau verkriecht, während rundum die Feinde vorbeistürmten.
    Genauso lief es. Victor Charles knallte uns ab und verzog sich wieder durch das Reisfeld, das jetzt von Leuchtspurgeschossen zerschnitten und von Granaten aufgewühlt wurde. Doch am Morgen fanden wir sein Repetiergewehr samt Zielfernrohr, Lederriemen und Patronengurt, das wie zum Gedenken an ihn am Drahtverhau hing.
    Obwohl ich tief und fest schlief, wusste ich, dass es in diesem Traum nicht um Vietnam ging.
    Am nächsten Tag rief ich in Angola an und sprach mit dem stellvertretenden Direktor. Aaron Crown war mittlerweile in Einzelhaft und wurde dreiundzwanzig Stunden am Tag unter Verschluss gehalten. Man hatte gerade wegen zweifachen Mordes Anklage gegen ihn erhoben.
    »Soll das heißen, wegen vorsätzlichen Mordes? Der Mann wurde angegriffen«, sagte ich.
    »Jemanden kopfüber in ein Fass voll Öl zu stecken und den Deckel draufzudrücken entspricht nach unserem Rechtsverständnis nicht unbedingt einer Notwehrhandlung«, erwiderte er.
    Ich rief bei Buford LaRoses Wahlkampfbüro in New Iberia an und erfuhr, dass er mittags eine Ansprache bei einem Kongress von Landerschließern in Baton Rouge hielt.
    Ich nahm die vierspurige Schnellstraße nach Lafayette und fuhr dann auf dem 1-10 durch den Atchafalaya-Sumpf. Die

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