Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Zypressen und Weiden standen dicht und fahlgrün zu beiden Seiten des auf Stelzen gebauten Highways, und das Wasser in den sonnenbeschienenen Buchten kräuselte sich im Wind. Dann führte der Highway durch Weideland und Wälder voller Zwergpalmen, und schließlich sah ich die Brücke über den Mississippi vor mir und die Umrisse des Kapitols und des benachbarten Hotels, in dem Buford seine Rede hielt.
Er kannte sein Publikum. Er war vornehm und gebildet, doch er war eindeutig einer von ihnen, hatte Hochachtung vor den halbseidenen Unternehmungen, die sie betrieben, und den Vorstellungen, die sie zusammengeführt hatten. Sie schüttelten ihm nach seiner Rede die Hand und klopften ihm freundlich auf die Schulter, als ob sie aus seinen sagenhaften Leistungen als Footballspieler Kraft beziehen und teilhaben könnten an seiner strahlenden Gesundheit und dem blendenden Aussehen, seiner anscheinend so verheißungsvollen Zukunft.
Am vordersten Tisch, hinter einer Kristallschale voller schwimmender Kamelienblüten, sah ich Karyn LaRose sitzen, die mich beobachtete.
Der Speisesaal war fast leer, als Buford mich zur Kenntnis zu nehmen beliebte.
»Bin ich verhaftet?«
»Bloß eine Frage: Warum hat Crown sein Gewehr liegen gelassen?«
»Dafür gibt’s eine ganze Hand voll Gründe.«
»Ich bin Ihr Buch gründlich durchgegangen. Sie befassen sich überhaupt nicht damit.«
»Vielleicht ist er erschrocken und weggerannt.«
»Es war mitten in der Nacht. Weit und breit war niemand.«
»Menschen neigen für gewöhnlich zu irrationalen Dingen, wenn sie jemand anderen umbringen.«
Die Kellner räumten die Tische ab, und der letzte Abgesandte aus der Welt der Supermärkte hatte sich verabschiedet und war durch die Tür verschwunden.
»Fahren Sie mit mir rauf nach Angola, und treten Sie Crown gegenüber«, sagte ich.
Er überraschte mich. Ich sah, dass er einen Moment lang tatsächlich darüber nachdachte. Im nächsten Augenblick war es wieder vorbei. Karyn stand auf und kam um den Tisch herum. Sie trug ein rosa Kostüm mit einem Mieder, das sich eng um die Brust schloss.
»Crown wird womöglich zum Tode verurteilt, weil er die beiden Häftlinge umgebracht hat«, sagte ich und schaute wieder Buford an.
»Möglich ist vieles«, erwiderte er.
»Ist das alles? Jemand, der mit Ihrer Hilfe im Gefängnis gelandet ist, zu Unrecht vielleicht, bekommt die Todesspritze, und Sie zucken bloß mit den Achseln?«
»Möglicherweise ist er ein gewalttätiger, widerwärtiger Mann, der nur das bekommt, was er verdient.«
Ich wandte mich ab und ging. Dann drehte ich mich noch einmal um.
»Ich dreh Sie durch den Wolf«, sagte ich.
Ich war so wütend, dass ich auf dem Flur die falsche Richtung einschlug und auf den falschen Parkplatz hinausging. Als ich meinen Irrtum bemerkte, kehrte ich um und ging zurück zum Foyer. Ich kam am Speisesaal vorbei, dann an einem kurzen Korridor, der nach hinten zu einem Lastenaufzug führte. Buford lehnte mit aschfahlem Gesicht an der Wand neben der Fahrstuhltür und wurde von seiner Frau am Arm gestützt.
»Was ist passiert?«, fragte ich.
»Hilf mir, ihn auf unser Zimmer zu bringen«, sagte Karyn.
»Ich glaube, er braucht einen Notarzt.«
»Nein! Wir haben unseren eigenen Arzt hier. Dave, hilf mir,
bitte.
Ich kann ihn nicht mehr halten.«
Ich nahm seinen anderen Arm, und wir stiegen in den Fahrstuhl. Buford stützte sich mit dem Handballen auf die Haltestange an der hinteren Wand, zerrte seinen Hemdkragen auf und holte tief Luft.
»Ich bin heute Morgen eine Meile in fünf Minuten gelaufen. Was halten Sie davon?«, sagte er und rang sich ein Lächeln ab.
»Treten Sie lieber etwas kürzer, Partner«, erwiderte ich.
»Ich muss mich bloß ein bisschen hinlegen. Eine Stunde Schlaf, und mir geht’s wieder bestens.«
Ich schaute Karyn an. Sie wirkte jetzt gefasst, konzentrierte sich wieder auf das Wesentliche, worum auch immer es dabei gehen mochte.
Wir geleiteten Buford zu einer Suite im obersten Stock, brachten ihn zu Bett und schlössen die Tür hinter uns.
»Er hält heute abend eine Rede vor dem Kongreß der State Police«, sagte Karyn, als wollte sie mir eine Erklärung bieten. Durch die Panoramafenster des Wohnzimmers konnte man das Kapitol sehen, die Parks und Boulevards und Bäume im Zentrum der Stadt, den weiten Bogen des Mississippi, das Marschland im Westen – all das bezaubernde urbane und ländliche Ambiente, das in Louisiana mit politischer Macht einhergeht.
»Nimmt Buford
Weitere Kostenlose Bücher