Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Bergbaugesellschaft errichtet worden. Die Bretter waren aufgequollen und splittrig, die Fenster mit zerfetzten Plastikfolien verhängt, die im Wind knatterten. Dahinter, neben einem mitten auf dem Hühnerhof ausgehobenen Brunnenschacht, tuckerte ein Benzingenerator.
Die Betten drinnen standen in Reih und Glied, in genau bemessenem Abstand, unter jedem eine Plastikschüssel oder ein Spucknapf, die stahlgrauen Bettdecken stramm gezogen wie beim Militär. Der Holzofen war nicht angeschürt, an der offenen Tür haftete alte Asche. Die nackten Wände und der blanke Boden wirkten wie mit einem Eishauch überzogen.
Doch der Mann, der sich Araña nannte, brauchte keine Außenwärme.
Er lag nackt auf dem bloßen Laken, hatte nur ein Handtuch über dem Unterleib, und die roten Tätowierungen auf seiner Haut schillerten schweißnass. Seine Brust war mit Wunden übersät, die mit Gazebäuschen, Heftpflaster und einer gelben, nach Motoröl riechenden Salbe versorgt worden waren. Doch der widerwärtige Gestank rührte nicht daher. Sein linkes Bein war doppelt so dick wie normal und glänzte rötlich violett wie eine Aubergine.
Der Priester, der den Sheriff angerufen hatte, holte zwei Stühle und stellte sie neben das Bett. Er war blass und schmal, trug eine Windbluse, ein Flanellhemd, Khakihose und Arbeitsstiefel, die ihm eine Nummer zu groß waren, und hatte kurz geschorene schwarze Haare, die er sich vermutlich selbst schnitt. Er legte mir die Hand auf den Arm und nahm mich beiseite. Ich spürte seinen Atem, der leicht nach Cognac roch.
»Araña hat Vergebung gefunden, aber keinen Frieden. Er glaubt, dass er bösen Menschen gedient hat, die Ihnen Übles wollen«, sagte er. »Aber ich bin mir nicht sicher, was er mit alldem sagen will.«
»Was hat er Ihnen denn erzählt?«
»Allerlei. Und wenig Gutes.«
»Pater, ich will Sie wahrlich nicht darum bitten, das Beichtgeheimnis zu verletzen.«
»Er hat sich verrückt gemacht mit seinen Spritzen. Er sagt ständig, dass er Angst hat um die jungen Menschen. Ist alles sehr verwirrend.«
Ich wartete. Der Priester warf mir einen bedrückten Blick zu.
»Sir?«, sagte ich.
»Der Mann, der angeblich droben im Bergwerk Kinder umgebracht haben soll, ist ein Verwandter von ihm«, sagte der Priester. »Aber vielleicht hat er auch von dem
Bugarron
gesprochen, wie er ihn nennt. Ich weiß es nicht.«
Helen und ich setzten uns neben das Bett. Helen holte einen Kassettenrecorder aus ihrer Handtasche und drückte die Aufnahmetaste. Der Mann, der sich Araña nannte, ließ den Blick über mein Gesicht schweifen,
»Kennen Sie mich, Partner?«, fragte ich.
Er reckte den Hals, damit er mich besser sehen konnte, und atmete schwer durch die Nase. Dann sagte er etwas in einer Sprache, die ich nicht kannte.
»Das ist ein indianischer Dialekt«, sagte der Priester. »Hier in der Gegend spricht ihn keiner, bis auf seinen Verwandten, den Verrückten, der im Bergwerk lebt.«
»Wer hat Sie nach New Iberia geschickt?«, fragte ich.
Doch er war im Delirium, und ich drang nicht zu ihm durch, sosehr ich mich auch bemühte. Ich versuchte es eine halbe Stunde und spürte dann, wie ich langsam die Konzentration verlor. Der Priester ging davon und kam wieder zurück. Helen gähnte und reckte sich, »’tschuldigung«, sagte sie. Sie nahm die Kassette aus dem Recorder und legte eine neue ein.
Dann, so als nehme er mich zum ersten Mal wahr, fasste Araña mich am Unterarm und drückte zu wie mit einer Schraubzwinge.
»Der
Bugarron
reitet auf einem Sattel mit Blumenmuster. Ich hab ihn auf der Ranch gesehen. Sie versauen denen alles. Die bringen Sie um, Mann«, sagte er.
»Wer ist der Kerl?«
»Er hat keinen Namen. Er hat ein rotes Pferd und einen silbernen Sattel. Er mag Indianerjungs.«
Aus Versehen zog er meine Hand an sein brandiges Bein. Ich sah, wie sein Gesicht vor Schmerz zusammenzuckte, wie er wütend aufblickte, ohne mich noch zu erkennen.
»Wie sieht der Mann aus?«, fragte ich.
Doch er war jetzt ein anderer, ein alter Feind vielleicht, der unter Aasgeiern zur Welt gekommen war.
Helen und ich gingen mit dem Priester nach draußen. Die Sonne schien kalt in den Cañon. Heriberto wartete neben dem Cherokee.
»Ich habe hier keinerlei Amtsvollmacht, Pater. Aber ich mache mir Sorgen um den Mann aus dem Bergwerk. Der, der jetzt in dem Polizeirevier ist«, sagte ich.
»Warum?«
»Heriberto sagt, mit den
Rurales
ist nicht zu spaßen.«
»Heriberto ist korrupt. Er nimmt Geld von den
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