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Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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zu sehen war, um am Straßenrand zu betteln. Dann stieg die Straße an, und die Luft wurde kühler. Wir kamen an einer stillgelegten Eisenhütte vorbei, deren Fenster eingeschlagen waren, fuhren durch Dörfer, deren Straßen kaum mehr als Schotterpisten waren und in denen sämtliche Haustüren entweder grün oder blau gestrichen waren. Die Berge, die über den Ortschaften aufragten, waren grau und kahl, und der Wind fegte von den nackten Hängen und wirbelte den Staub auf den Straßen auf.
    »Das hier sind alles Indianer. Sie glauben, wenn man die Tür mit einer bestimmten Farbe streicht, können die bösen Geister nicht rein«, sagte Heriberto.
    Helen war jetzt wach und schaute aus dem Fenster.
    »So ähnlich muss es in der Hölle aussehn«, sagte sie.
    »Ich bin hier aufgewachsen. Ich will euch mal was sagen. Typen wie diesen Araña gibt’s hier nicht. Er stammt aus Jalisco. Und ich sag euch noch was. Nicht mal
dort
gibt’s Typen wie diesen Araña. Solche Typen müssen erst in die Vereinigten Staaten, damit sie so werden wie der. Verstehn Sie, was ich sagen will?«
    »Nein«, antwortete sie und schaute auf seinen Nacken.
    »Mein Englisch is’ nicht allzu gut. Ich hab damit meine liebe Not«, sagte er.
    Wir fuhren in eine Ortschaft, die wie zusammengeduckt in einem schmalen Cañon mit steil aufsteigenden Wänden lag, inmitten von Abraumhalden, die von einer verlassenen Tagebaugrube oben am Berg herrührten. Etliche Häuser hatten keinen Abort, nur ein senkrecht in den Boden eingelassenes Rohr auf dem Hof, das als Gemeinschaftstoilette diente. Das Polizeirevier war neben der Cantina – ein weiß getünchter Flachbau mit grünen Fensterläden, die fest geschlossen waren. Ein Jeep, in dem drei
Rurales
und ein Zivilist saßen, der am Ohr blutete und Haare wie eine Löwenmähne hatte, kam in einer Staubwolke vom Bergwerk her und hielt dann an. Die drei
Rurales
trugen schmutzige braune Uniformen und Mützen mit gelacktem Schirm, und sie waren mit 45ern bewaffnet, uralten amerikanischen Militärrevolvern aus dem Ersten Weltkrieg. Die Kleidung des Zivilisten hing in Fetzen herunter, und seine Hände waren auf den Rücken gefesselt. Die
Rurales
brachten ihn in das Gebäude und schlössen die Tür.
    »Sind das die Jungs, die Araña über den Haufen geknallt haben?«, fragte ich.
    »Yeah, Mann, aber Sie wollen ihnen doch deswegen keine Fragen stellen, wenn Sie verstehn, was ich damit sagen will«, meinte Heriberto.
    »Nein, ganz und gar nicht.«
    Er kratzte sich an der Nase, dann erzählte er mir eine Geschichte.
    Fahrendes Volk war in die Ortschaft gekommen, und mit ihm ein mit Fußpedalen betriebenes Riesenrad, ein Esel mit einem fünften Bein, das wie ein schlaffer Strunk aus seiner Flanke wuchs, ein Schnapshändler, der von Hand verkorkte Mescalflaschen mitsamt Würmern verkaufte, und Araña, die Spinne, ein Zauberkünstler und Hexer, der Feuer schluckte und es in hohem Bogen in die Luft spie, ein Mann, der mit seiner scharlachroten Spinnwebentätowierung, den langen Indianerhaaren und den schillernd grünen Augen die Frauen aus den Bergen bezirzte und aus ihren Ehebetten lockte. Die Kraft seiner Lenden war legendär.
    »Hat Araña irgendwann dem Falschen die Frau ausgespannt?«, fragte ich.
    »Genau das werden die Ihnen sagen. Wenn Sie sich damit zufrieden geben, wenn Sie diese Geschichte schlucken, is’ alles in Ordnung. Wenn nicht, wenn Sie Fragen stellen, kriegen wir womöglich Ärger. Haben Sie den Typ gesehen, den sie grad reingebracht haben? Da wollen Sie heut bestimmt nicht rein.«
    »Was hat er gemacht?«, fragte Helen.
    »Zwei Kinder sind zu den verlassenen Gebäuden oben beim Bergwerk gegangen und nicht zurückgekommen. Sehn Sie, dort, wo die Blechstücke im Wind schaukeln. Er lebt dort ganz allein, wäscht sich so gut wie nie, kommt nachts runter und stiehlt sich bei den Leuten was zu essen.«
    »Warum haben sie auf Araña geschossen?«, fragte ich.
    »Schau, Mann, wie soll ich Ihnen das erklären? Wir haben es hier nicht mit einem
Marijuanista
zu tun. Der Typ schafft manchmal superstarkes Zeug in die Staaten. Die hiesigen Jungs wissen das.
La Mordita
nennt man das – man muss seinen Teil bezahlen, Mann, sonst kriegt man womöglich Riesenärger. Wie der Typ hinter den grünen Fensterläden. Der will bestimmt nicht, dass sich jemand eine Zigarre anzündet.«
    Das Krankenhaus, ein langer, barackenartiger Bau, der auf einer Anhöhe über der Hauptstraße stand, war einst von einer amerikanischen

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