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Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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bin ich aufgewacht, und ich hab gleich gewusst, dass wir auf einem Viadukt sind, weil man lediglich das Quietschen und Kreischen der Räder auf den Schienen gehört hat, aber keinerlei Echo vom Bahndamm oder aus der Umgebung. Die Luft war kalt und hat nach Mesquitesträuchern, Schwarzeichen und nassem Beifuß gerochen, so als ob da noch nie jemand gewesen wäre – keine Benzinmotoren, keine Viehtreiber, die den Fluss da unten durchquert haben, nicht mal Indianer in den Schluchten ringsum, die sich wie gebrochene Finger zu Tal geschlängelt haben und voller gelber Felsbrocken lagen, die so groß wie ein Auto waren.
    Mitten in dem Fluss waren Sandbänke mit Wassertümpeln, die rot wie Blut waren, und totes Wild, das die Truthahngeier von oben angefressen hatten, sodass die blanken Knochen aus dem Fell ragten. Dann waren wir auf einem langen Plateau, wo wir in ein Gewitter geraten sind, und weit weg hab ich im Schein der Blitze Rinderpferche gesehen und Silos, kaputte Windmühlen, um die sich Steppenhexen gewickelt hatten, Adobehäuser mit eingefallenen Mauern, einen einspurigen Fahrweg, eine Holzbrücke und ein Hinweisschild auf den Pecos, in dessen Bett nichts als festgebackener Lehm war, der unter den Stiefelsohlen zerbröckelt.
    Der alte Herr, Jude LaRose, hatte mir den Namen der Stadt gesagt, aber nicht, wie man dort hinkommt. Das war so seine Art. Er hat einem irgendetwas vorgegeben, und wenn du dich dran gehalten hast, konnte er richtig anständig zu dir sein. Andernfalls bist du für ihn Luft gewesen. Der Haken dabei war, dass du nie genau gewusst hast, worauf er hinauswill.
    Mir war nicht klar gewesen, dass ich auf einen Expresszug gesprungen war, der in einem Stück durchfährt, ohne unterwegs anzuhalten. An einer Steigung, kurz vor einem weiteren Viadukt, bin ich abgesprungen, voll auf die Schnauze geflogen, eine ewig lange Böschung runtergerutscht und in einer nassen Sandkuhle gelandet, unmittelbar neben einer Reihe von Weiden, die mal ein Flussbett gesäumt haben, das jetzt von Hufspuren und Hirschfährten durchzogen war, in denen das Regenwasser stand. Ich bin den ganzen Tag bei strömendem Regen gelaufen, über Zäune gestiegen, auch wenn auf den Schildern in Spanisch und Englisch stand, dass es verboten ist, habe Wildpferde gesehen, bin barfuß durch einen Fluss mit seifig glatten Felsen gewatet und schließlich auf einen Fahrweg gestoßen, auf dem sich grade ein Tieflader mit einem Bohrgestänge und etlichen Mexikanern, die unter einer Plane auf der Ladefläche geschlafen haben, durch ein Wasserloch gewühlt hat. Er hat kurz angehalten, und der Mann, der sich mit einem M-1-Karabiner oben ans Führerhaus gelehnt hat, hat gesagt: »Wo willst du denn hin, Mann?«
    Ich hab vermutlich ausgesehen wie eine ersäufte Katze. Ich hatte seit zwei Tagen nichts mehr gegessen, hatte meine Stiefel um den Hals hängen, und meine Hosenknie waren zerfetzt. Er hatte einen blauen Regenmantel an, einen Hut auf, von dessen Krempe das Wasser geströmt ist, und er hatte einen schwarzen, seidigen Bart, der spitz zulief, wie bei einem Chinesen.
    »Zu Jude LaRoses Anwesen. Das ist doch hier irgendwo in der Gegend, oder?«, hab ich gesagt.
    »Du bist schon drauf, Mann.«
    »Wo wohnt er?«
    »Was geht dich das an?«
    »Ich bin ein Freund von ihm. Er hat gesagt, ich soll hierher kommen.«
    Er hat sich zum Fenster runtergebeugt und zu den Mexikanern im Führerhaus gesagt:
»Dice que es amigo del Señor LaRose.«
Die haben bloß gelacht. Die andern, die hintendrauf waren, haben die Plane zurückgeschlagen, damit sie mich sehen konnten, und zwei von ihnen haben Bohneneintopf mit Tortillas gegessen, die sie zu großen Fladen zusammengeklappt und in der Hand gehalten haben. Aber die waren von einem andern Schlag, nicht die Sorte, die über andere Leute lacht.
    »Wissen Sie, wie ich zu seinem Haus komme?«, hab ich gefragt.
    Aber er hat gar nicht mehr hingehört. Er hat mit der Faust aufs Dach des Führerhauses geschlagen, und dann sind sie im Regen davongefahren, und ich weiß noch genau, wie das Bohrgestänge hintendrauf rumgeschlackert ist und dass die Mexikaner unter ihrer Plane zu mir hergeschaut haben.
    Am Abend bin ich dann auf Jude LaRoses Stadt gestoßen. Sie lag inmitten einer Talsenke, in der sich zwei Fahrwege kreuzten, umgeben von Bergen, die im Sonnenuntergang rot und lila leuchteten. Aber viel mehr gab’s da auch nicht – eine Markthalle für die Viehauktionen und einen Schlachthof, beide dicht, einen stillgelegten

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