Nacht ueber den Highlands
Ihr würdet in jedem Fall gewinnen. Ich dagegen würde in jedem Fall verlieren.«
Sie war entsetzt über diese Art von Logik. »Wie kommt Ihr auf so etwas?«
»Nun, weil ich mich entweder vor versammelter Menge zum Affen machen muss oder Ihr mir das Leben zur Hölle macht. Wohingegen Ihr andererseits entweder Eure Freiheit erlangt oder aber mich heiraten dürft.«
Sie riss den Mund auf. »Ihr glaubt wirklich, dass mir das gefallen würde?«
»O ja, das weiß ich sogar ganz gewiss.«
Rowena bedachte ihn mit einem bösen Blick. Sie hoffte, dass man ihr ansah, was sie von einer solchen Einstellung hielt. »Eure Arroganz ist maßlos. Es mag Euch vielleicht schockieren, Lord Stryder, aber ich finde Euch keineswegs so attraktiv, wie Ihr zu glauben scheint.«
Er lachte ungläubig auf.
Rowena knirschte mit den Zähnen. »Ihr seid einfach unerträglich.«
»Dennoch würdet Ihr mich heiraten, Mylady. Wie gesagt, Ihr würdet in jedem Falle gewinnen.«
Jetzt wurde ihr das alles zu viel. Das Hohngelächter im großen Saal, das, was ihr Onkel und der König von ihr verlangten, und jetzt machte sich auch noch Stryder der Schreckliche über sie lustig.
Alles, was sie sich je vom Leben erhofft hatte, war, die Menschen mit ihren Liedern und ihrem Gesang glücklich zu machen. Ihnen vielleicht ein wenig zeigen zu können, wie viel besser das Leben ohne Kriege sein könnte. Wie schön es wäre, in Frieden und ohne Blutvergießen miteinander zu leben.
Und was bekam sie dafür?
Spott und Hohn.
Sie wusste, wie man sie hinter ihrem Rücken nannte. Die Irre. Die Xanthippe von Sussex.
Wird Zeit, dass ihr mal jemand beibringt, wie man kuscht. Zum Vögeln ist sie ansehnlich genug, aber nur wenn man ihr zuvor das Maul stopft.
Sie hatte sich immer etwas darauf eingebildet, über diesen primitiven Beleidigungen zu stehen. Aber das stimmte nicht. Sie war auch nur ein Mensch, und solche Bemerkungen verletzten sie zutiefst.
Genauso tief verletzte sie der Verrat ihres Onkels. Warum ließ man sie nicht einfach in Frieden?
Warum nur musste sie sich dem Diktat von Männern unterwerfen, warum eine Ehe mit einem Mann eingehen, der nicht die geringste Achtung vor ihr empfand?
Auf einmal hätte Rowena nur noch heulen können.
Das war also ihr Los. Sie konnte entweder flüchten, wie schon einmal, und ihr Zuhause, ihren Onkel für immer verlassen, oder sie konnte bleiben und einen Rüpel heiraten, der ihr höchstwahrscheinlich eine knallte, wenn sie nicht parierte.
Blieb nur zu hoffen, dass Stryder ihr nicht auch den Arm ausreißen und sie damit verprügeln würde, wie er es Cyril angedroht hatte.
Warum kümmerte es sie überhaupt, ob diese Grobiane lebten oder krepierten?
Nein, hier gab es nichts für sie zu hoffen. Was für eine
Närrin sie doch war, sich auch nur eine Sekunde lang einzubilden, sie könne einem wie Stryder drohen oder gar Vernunft beibringen.
Nun, dann sollte es eben so sein. Sie würde ihre Sachen packen und Weggehen. Besser das, als sich noch länger zum Narren zu machen.
Von tiefer Verzweiflung überwältigt wandte sie sich ab.
»Ich bedaure, Euch gestört zu haben«, sagte sie würdevoll, die aufsteigenden Tränen vor ihm verbergend.
Nein, sie würde diesem Mann nicht die Genugtuung verschaffen, sie weinen zu sehen. Das würde ihm sicher gefallen.
Ohne rechtes Ziel vor Augen stürzte sie aus seinem Zelt und ließ ihren Tränen endlich freien Lauf.
Stryder stand einige Herzschläge lang wie vom Donner gerührt da, den Blick starr auf die schwingende Zeltklappe gerichtet.
Hatte er wirklich Tränen in ihren Augen gesehen?
Unwahrscheinlich. Lady Rowena besaß eine starke, ja überwältigende Persönlichkeit. Er fühlte sich regelrecht ausgelaugt, seit sie weg war.
Eine solche Frau weinte doch nicht.
Und dennoch ...
Bevor er wusste, wie ihm geschah, rannte er ihr schon hinterher.
Sie hatte fast das Ende des Zeltlagers erreicht. Er beschleunigte seine Schritte und hatte sie rasch eingeholt.
»Rowena«, sagte er und ergriff sie sanft beim Arm. »Wartet.«
Sie wandte sich zu ihm um, und er fühlte, wie es ihm das Herz im Leib zusammenzog. Ihre Wangen waren trä-nennass. Hastig versuchte sie die verräterischen Spuren wegzuwischen.
»Was ist jetzt noch?«, fauchte sie mit zittriger Stimme.
Stryder war am Boden zerstört. Er hatte nur eine Schwäche - Tränen. Er konnte keine Frau weinen sehen, konnte es noch nie. Geschweige denn eine, die so verletzlich aussah wie Rowena in diesem Moment, in deren großen,
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