Nacht ueber den Highlands
ganz genau. »Sie sagte zu mir, sie wünschte nur, er wäre lange genug bei ihr geblieben, um ihr einen Sohn zu schenken, denn dann wäre ich jetzt nicht gezwungen, jemanden zu heiraten, den ich nicht liebe. Und nicht einmal danach fand Mutter ihren Frieden. Sie lebt jetzt in einer zweiten, ebenso lieblosen Ehe mit einem anderen, einem Mann, dem nicht das Geringste an ihr liegt.«
»Ihr habt noch Glück gehabt«, sagte er leise. »Mein Vater hat meine Mutter mehr als alles auf der Welt geliebt. Nichts hasste er mehr, als sie verlassen zu müssen, und immer kam er zu ihr zurück, sobald er konnte. Ich werde nie vergessen, wie er sie immer ansah, wie er jeder ihrer Bewegungen folgte, als wäre sie eine Erscheinung aus dem Paradies.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte sie und dachte dabei an Christopher, den unehelichen Sohn von Stryders Mutter. »Was ist mit Kit?«
In Stryders Kinn begann ein Muskel zu zucken. »Mein Vater liebte meine Mutter über alles, aber sie hat ihn nie geliebt.« Seine Augen richteten sich zornig auf sie. »Er war bloß ein dummer, tölpelhafter Ritter, und meine Mutter träumte von einem Dichter. Sie wünschte sich einen Mann, der sie mit schönen Worten umwarb, der mit Kampf und Gewalt nichts zu tun haben wollte. Er aber hatte ein Herz. Es gehörte ganz und gar ihr.« Er schüttelte den Kopf. »Eines Tages kam mein Vater nach Hause geeilt, nur um festzustellen, dass sie nicht da war.«
»Ihr wart Euren Bruder besuchen gegangen?«
Stryder runzelte die Stirn. »Woher wisst Ihr das?«
»Kit hat mir erzählt, dass Ihr von einer Dienerin verraten wurdet.«
Er nickte. »Aye. Meine Mutter war wieder einmal zu seinem Vater gereist. Ich wusste, dass sie untreu war, habe aber nie etwas gesagt. Ich hatte ihr mein Wort gegeben.«
Rowena tat das Herz weh, wenn sie daran dachte, wie es mit Stryders Eltern zu Ende gegangen war. Es war allgemein bekannt, dass Stryders Vater seine Frau umgebracht und dann versucht hatte, auch seinen Sohn zu töten, bevor er sich schließlich selbst das Leben nahm. Bis zum heutigen Tag kannte keiner den Grund dafür. Bis auf Stryder, und dieser hatte ihn, soweit sie wusste, bis jetzt keiner Menschenseele anvertraut.
»Ich weiß nicht, ob ich je für Euch singen kann, Rowena. «
Die tiefe Qual in seinen blauen Augen schnürte ihr das Herz ab.
»Und ich könnte Euch nie zur Frau nehmen«, fuhr er mit großer Bedachtsamkeit fort. »Ich würde nie eine Frau ehelichen, die mich nicht um meiner selbst willen und dessen, was ich bin, liebt. Ihr seid meiner Mutter
in so vieler Hinsicht ähnlich, ich dagegen bin der Sohn meines Vaters. Es gibt keine Frau auf dieser Welt, auf deren Treue ich bauen würde, ganz besonders in meiner Abwesenheit.«
Sie nickte verständnisvoll. »Und ich bin die Tochter meiner Mutter. Ich könnte ebenso wenig wie unsere Mütter einen Mann des Schwertes lieben. Also, Stryder, sagt mir: wie können wir uns aus dieser Zwickmühle befreien?«
»Ich weiß nicht. Mord?«
Sie bedachte ihn mit einem gespielt strengen Blick. »Sehr witzig.«
»Lord Stryder!«
Beide fuhren herum, als sie die Rufe der Frauen hörten. Ihr Versteck war nicht länger ein Versteck.
Stryder stöhnte.
Rowena wurde allmählich klar, warum er so arrogant war. »Geht ruhig und lasst mich hier zurück«, drängte sie ihn.
»Das geht nicht, Rowena. Der Sarazene könnte hier irgendwo sein.«
Bevor sie ihm widersprechen konnte, warf er sie sich über die Schulter wie einen Sack Kartoffeln und rannte mit ihr davon.
Rowena war entsetzt. Noch nie war sie auf so unwürdige Weise transportiert worden, gar nicht zu reden davon, dass es höllisch wehtat. Sie bumste bei jedem Schritt mit dem Bauch auf seine harte Schulter. Er rannte mit ihr über den belebten Burghof auf die Ställe zu. Sie musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut aufzuschreien.
Alle, die nicht hinter ihnen her waren, starrten ihnen mit offenem Mund nach.
»Lasst mich sofort runter, Stryder«, befahl sie ungehalten.
Er beachtete sie nicht. Doch kaum hatte er den Stall betreten, als hinter ihm auch schon die Tore zugezogen und ein schwerer Balken vorgeschoben wurde.
Stryder kam schlitternd zum Stehen und drehte sich um, um zu sehen, wer sie eingesperrt hatte.
Rowena verdrehte den Kopf, ebenfalls um etwas zu erkennen, bereute es jedoch sogleich.
Zwei dunkle Gestalten hatten den Riegel vorgeschoben.
Beide waren in die langen, fließenden Gewänder von Arabern gekleidet.
7. Kapitel
Rowena stockte der Atem,
Weitere Kostenlose Bücher