Nacht ueber den Highlands
hinzu, »erzählte uns, er habe Männer gekannt, die sich ihrem Opfer am helllichten Tag in einem belebten Bazar nähern und so schnell und unauffällig niederstechen konnten, dass es keiner sah. Ehe man es merkte, war der Mörder längst über alle Berge.«
Das klang ganz nach dem Mann, dem sie im Burggarten über den Weg gelaufen war.
»Dann könnte unser Sarazene also überall sein?«
Er nickte. »Ich würde Euch raten, heute Nacht Euer Fenster zu verriegeln. Noch besser, hängt ein Glöckchen an den Riegel, um ganz sicherzugehen.«
Rowena erzitterte schon beim bloßen Gedanken. »Kann man ihn denn gar nicht aufhalten?«
»Feuer lässt sich nur mit Feuer bekämpfen, Mylady. Der einzige Weg, ihn aufzuhalten, ist schneller zu sein als er.«
Wie sehr sie es hasste, das zu hören! Es widersprach ihrer Natur ganz und gar, Gewalt mit Gewalt zu vergelten. Gab es denn gar keine friedliche Lösung?
Rowena führte Stryder die Treppe zum großen Sonnenzimmer der Damen hinauf, wo zahlreiche Frauen einen müßigen Nachmittag verbrachten, auf den vielen im Raum verteilten Stühlen saßen und mit ihren Geschlechtsgenossinnen schwatzten.
Doch als sie Lord Stryder erblickten, war es mit der Nachmittagsruhe vorbei. Die Damen verfielen in ein höchst undamenhaftes Kreischen und stürzten wie Furien auf sie zu.
Stryder riss Rowena so schnell zurück, dass sie ins Stolpern geriet. Er schlug die Tür zu und stemmte sich dagegen, während von der anderen Seite Frauenfäuste auf die Tür einhämmerten.
»Lord Stryder!«
»Rasch, reicht mir jenen Stock dort«, befahl er Rowena.
Sie tat wie ihr geheißen.
»Klemmt ihn unter den Türknauf, schnell.«
Rowena zögerte. »Aber dann können sie doch nicht mehr heraus.«
»Das ist schließlich der Sinn der Sache. Aber keine Angst: ich werde meinen Knappen schicken, um sie wieder herauszulassen. Wenn ich weit fort bin.«
Sie gehorchte, konnte aber nicht umhin, ihm einen misstrauischen Blick zuzuwerfen.
Sobald der Stock unter dem Knauf steckte und die Tür wirkungsvoll blockierte, richtete Stryder sich auf und stieß einen erleichterten Seufzer aus.
Was sich als verfrüht erwies. Vom anderen Ende des Gangs näherten sich ein paar Frauen; zweifellos wollten sie zu den anderen ins Sonnenzimmer.
Auch dieses Grüppchen kreischte auf und begann auf sie zuzurennen.
Stryder packte ihre Hand und rannte ohne Zögern zur Treppe zurück. Rowena hätte das Ganze höchst amüsant gefunden, wäre sie nicht von einer der Frauen am Zopf gepackt worden.
»Au!«, schrie sie und riss sich los.
Stryder hielt auch im großen Saal nicht an. »Val!«, rief er einem jungen Mann zu, der in einer Ecke saß. »Zehn Silbermünzen.«
Der Mann reagierte blitzschnell und schnitt ihren Verfolgerinnen den Weg ab. Stryder zerrte sie derweil aus dem Saal und tauchte sofort in einen kleinen Nebenhof zur Rechten ab.
Er hielt erst an, als sie hinter einem Gebüsch Deckung gefunden hatten. Mit einem panischen Ausdruck schaute er sich um, als erwarte er, dass jeden Moment ein weiteres weibliches Wesen hinter einem Busch hervorspränge.
»Passiert Euch das eigentlich oft?«, erkundigte sie sich nach Luft ringend.
»Öfter, als Ihr Euch vorstellen könnt«, entgegnete
er.
Rowena kannte natürlich das Gerede der Frauen über den Grafen und ihre Versuche, ihn zu erobern, doch war sie bis jetzt noch nie Augenzeugin eines regelrechten Überfalls geworden. »Es ist Euch ernst, nicht wahr?«
»Ich sagte Euch doch, Rowena, Ihr seid die Einzige, die sich mir nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit an den Hals wirft.« Seine Augen funkelten verschmitzt. »Andererseits -«
»Wagt es bloß nicht«, sagte sie und legte ihre Finger auf seine Lippen. »Ich habe mich Euch nie absichtlich an den Hals geworfen.«
Er hob eine skeptische Braue.
»Außer, als ich um mein Leben fürchten musste.«
Seine Lippen verzogen sich unter ihren sensiblen Fingerspitzen zu einem Lächeln. Erst jetzt nahm sie richtig wahr, wie weich und warm sie im Gegensatz zu seinem harten, kampferprobten Körper waren.
Unsicher ließ sie die Hand sinken und schluckte.
Stryder stockte der Atem, als er den ängstlichen, neugierigen Ausdruck auf ihrem Gesicht sah. Sie war einfach wunderschön in ihrem zerzausten Zustand, der Schleier war verrutscht, die Haare hingen ihr ins Gesicht und ihre Haut war vom Rennen leicht gerötet. Ihre Augen blitzten.
Und ihre Lippen ...
Diese leicht geöffneten Lippen, rot, saftig, unwiderstehlich, Lippen, die danach
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