Nacht ueber den Highlands
Zunge und nahm ihm den Kelch weg.
Er schnaubte. »Was kümmert es Euch, Rowena? Ich sitze hier fest und habe sowieso nichts Besseres zu tun, als mich bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken.«
Seine Worte ärgerten sie, sie wusste selbst nicht, warum. Natürlich gehörte sie nicht zu jenen, die viel davon hielten, das Messer zu wetzen oder sich in den Kampf zu stürzen, doch die Resignation, die aus seinen Worten klang, erregte ihren Unmut. »Das ist es also, was Ihr tut, wenn Ihr den Kürzeren zieht.«
Seine kristallblauen Augen sprühten zornige Funken. Auf seinen Wangen tauchten rote Flecken auf. »Ich habe noch nie den Kürzeren gezogen. Und das werde ich auch nie«, schwor er todernst. Doch dann entspannte er sich wieder. »Ich warte lediglich meine Zeit ab.«
»Und worauf wartet Ihr?«
»Auf den Moment, da man mich aus diesem Loch herauslässt und ich mich auf den stürzen kann, dem ich das hier zu verdanken habe. Ich werde ihm die Innereien aus der Nase herausziehen und darauf herumtanzen.«
Rowena zog eine Grimasse, als sie sich das vorstellte. »Ich bitte Euch, Stryder, Ihr scherzt wohl. Ich hoffe wirklich, dass dies nur eine Wunschvorstellung ist und nicht etwas, das Ihr tatsächlich schon einmal gemacht habt.«
Er blinzelte wie ein Kalb. »Nein, ich bin bis jetzt noch nie auf den Eingeweiden eines Feindes herumgetanzt. Aber ich würde es zu gerne tun. Wenigstens einmal.« Er holte sich seinen Kelch wieder zurück und fuhr dann fort. »Ich kann Ungerechtigkeit einfach nicht ertragen. Ich kann es nicht ertragen, dass da draußen ein Killer herumläuft und bereits auf sein nächstes Opfer lauert.«
Er nahm einen Schluck.
»Ist Euch deshalb die Bruderschaft so wichtig?«
»Aye«, seufzte er und stellte seinen Kelch ab. »Jeder Mensch, den ich rette, bedeutet einen kleinen Sieg über das Böse, das diese Welt vergiftet, ich werde nicht eher ruhen, bis auch der letzte Gefangene frei ist.«
Was für ein Ziel sich ihr Ritter da gesetzt hatte! »Ihr wollt also nie zur Ruhe kommen? Heiraten und eine Familie gründen?«
»Heiraten.« Er spuckte das Wort aus, als hätte es einen widerlichen Geschmack. »Die Heirat ist eine unheilige Allianz zwischen zwei Menschen, und zu welchem Zweck? Um beide kreuzunglücklich zu machen.«
Rowena war entsetzt über die Feindseligkeit, mit der er sprach. Es stimmte, sie hatte selbst oft Ähnliches behauptet, doch tief im Innern hatte sie es nie wirklich geglaubt. Nein, die Ehe konnte und sollte eine wundervolle Verbindung zwischen zwei Menschen sein.
»Ich glaube nicht, dass es so sein muss«, vertraute sie ihm an. »Stellt Euch eine Ehe vor, in der Mann und Frau einander achten und respektieren. Wo sie Partner und Verbündete sind.«
Er schnaubte verächtlich. »Ihr seid nüchtern und redet dennoch mehr Unsinn als ich.« Er hob sein Haar und enthüllte die hässliche, gezackte Narbe in seinem Nacken. Was musste er ausgestanden haben! »Seht Ihr das hier?«
»Aye«, sagte sie und zeichnete die blasse, wulstige Linie mit einem zarten Finger nach. Sie sah, dass Stryder eine Gänsehaut bekam, doch minderte das nicht die Wut, die aus seinen Augen leuchtete.
»Mein Vater hat mir das angetan, als ich versuchte, ihn davon abzuhalten, meine Mutter zu töten. Da ist er auch über mich hergefallen, hat mich einen Bastard geschimpft. Hat behauptet, dass ich nicht sein legitimer Sohn wäre.« Stryders Stimme klang dumpf, beinahe unbeteiligt, doch der Ausdruck in seinen Augen sprach eine ganz andere Sprache: Qual und unendliche Verzweiflung standen darin, Gefühle, die er sonst immer verbarg. »Ich kann sein hassverzerrtes Gesicht noch vor mir sehen, als er mich einen wertlosen, schmutzigen Bastard schimpfte.« Seine kristallblauen Augen richteten sich auf sie und verbrannten sie fast mit ihrer Intensität. »Es stimmt, Rowena. Kit ist gar nicht mein Halbbruder. Er ist mein richtiger Bruder.«
Sie war wie vom Donner gerührt. Ein solches Geständnis! »Weiß er es?«
Stryder schüttelte den Kopf. »Ich habe meiner Mutter geschworen, es keiner Menschenseele zu verraten. Dieses Versprechen habe ich bis heute gehalten. Das ist der Grund, warum mir meine Ländereien und mein Titel nichts bedeuten. Sie stehen mir gar nicht zu.«
Rowena saß stumm da. Erst allmählich ging ihr die Tragweite von Stryders Geständnis auf: er hatte ihr etwas anvertraut, womit sie ihn ruinieren könnte. Wenn sie verriete, was sie erfahren hatte, dann würde er seinen Titel und seine Ländereien auf
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