Nacht ueber den Highlands
er sich mit aller Kraft.
Als Rowena sah, dass sie endlich zu ihm durchgedrungen war, holte sie tief Luft. Seine Augen waren nicht länger glasig. Sie waren scharf und konzentriert und starrten sie mit einer solchen Leidenschaft an, dass ihr sofort heiß wurde. Und schwach. Sehnsüchtig. Gott segne diesen Mann, aber er hatte etwas an sich, das auf eine Frau einfach unwiderstehlich wirkte.
Um sie beide abzulenken, ließ sie ihn los und sagte: »Erzählt mir, was heute früh passiert ist. Warum hat man Euch des Mordes bezichtigt?«
Er holte tief Luft, wie um Kraft zu schöpfen und um die Wut niederzuringen, die bei ihren Worten sogleich wieder in ihm hochkochte. »Ich weiß es nicht. Heinrich tauchte plötzlich mit seiner Garde auf und riss mich aus dem Schlaf. Ich sei gesehen worden, meinte er, wie ich mitten in der Nacht aus Rogers Zelt gekommen wäre. Ich versuchte zu erklären, dass ich nichts damit zu tun hätte, doch da sah einer der Garden mein Wams über einer Stuhllehne hängen und wies Heinrich darauf hin, dass es zu dem Stofffetzen passe, den man in Rogers Hand gefunden hatte.«
»Aber wer hätte ein Interesse daran, Euch ein solches Verbrechen anzuhängen?«
Er zuckte die Achseln. »Ich habe keine Ahnung. Ich kann mir nicht einmal denken, warum jemand so etwas tun sollte.« Seine Züge verhärteten sich und auf einmal war er wieder jener Ritter, der Cyril an dem Abend zurechtgestutzt hatte, als er Kit beleidigte. Dies war der legendäre Stryder, der Stryder, vor dessen Zorn ausgewachsene Männer angsterfüllt die Flucht ergriffen. »Aber wer immer dafür verantwortlich ist, sollte besser seine letzte Beichte ablegen, denn sobald ich hier heraus bin, werde ich ihn suchen und eigenhändig töten, das schwöre ich.«
Verständlich, dass er so fühlte. Er verdiente es nicht, in diesem Loch zu sitzen. »Eure Männer untersuchen den Fall. Sie werden den Attentäter finden.«
»Nein«, sagte er überzeugt. »Dafür ist er viel zu schlau. Wer immer den Mut hatte, sich in mein Zelt zu schleichen, sich dieses Stoffstück zu holen, um mich zu belasten, ist nicht dumm. Er wird nichts mehr unternehmen, solange ich in Haft bin.«
»Aber warum Ihr und nicht ein anderer?«
»Er will die Bruderschaft treffen, da bin ich sicher. Und der beste Weg ist, mich zu belasten, nicht wahr?«
Sie runzelte die Stirn. »Roger gehörte zu euch?«
»Aye. Er war zwar kein aktives Mitglied, hat sich sowohl im Gefängnis als auch hinterher weitgehend von uns fern gehalten, doch er war einer von uns. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum es ausgerechnet ihn traf.«
Offenbar war dem Attentäter jeder recht, wenn er nur zur Bruderschaft gehörte. »Aber wie hat er es geschafft, unbeobachtet in Euer Zelt zu gelangen, um sich das belastende Gewebe zu beschaffen?«
»Jeder hätte in mein Zelt kommen können.«
»Ohne aufzufallen?«, beharrte sie.
Er musterte sie mit einem Stirnrunzeln. »Worauf wollt Ihr hinaus?«
»Wäre es möglich, dass der Attentäter in Euren eigenen Reihen zu finden ist? Unter den Männern, denen Ihr vertraut?«
Stryder zog den Gedanken in Betracht. Doch dann schüttelte er entschieden den Kopf. »Nein. Meine Männer würden so etwas nie tun.«
»Woher wollt Ihr das wissen?«
»Nassir und Zenobia sagten, sie hätten einen Boten abgefangen, der weitere Morde erwähnte. Offenbar ist dieser Attentäter schon seit einiger Zeit am Werk. Es gab Tote in Rouen, Nizza, Hamburg, Flandern -«
»Turnierstädte?«
Stryder schwieg betroffen. »Aye. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.« Er kam sich töricht vor, dass er nicht gleich auf diesen Gedanken gekommen war, als Nassir die Orte erwähnte.
»Geschahen die Morde in der Zeit, als die Turniere abgehalten wurden?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe nicht daran gedacht zu fragen, doch Nassir müsste es wissen.« Er überlegte fieberhaft. Ihm fiel Nassirs Vermutung betreffs der Nationalität des Täters ein und wer ihn geschickt und ausgebildet haben könnte. »Nassir könnte Recht haben. Der Täter könnte ein abendländischer Ritter sein, der von den Sarazenen ausgebildet und auf uns angesetzt wurde.«
Rowena nickte. »Das scheint mir auch so. Jemand, dem man vertraut. Den man in sein Zelt lässt.«
Ein erschreckender Gedanke: dass sich der Täter unter ihnen bewegte, dass er jetzt, in diesem Moment, da
draußen war, einer der ihren, dessen Auftrag es war, seine Landsleute im Namen ihrer Feinde zu ermorden ...
Die Tür ging knarrend auf und
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