Nacht ueber den Highlands
wissen. »Es gibt keinen Mann im ganzen Christenreich, der ihn besiegen könnte. Er wird im Handumdrehen frei sein.«
Aber Rowena sah es Val an, dass das noch nicht alles war. Bei einem Gottesurteil vertrat der Streiter des Königs die Krone, doch da Stryder derzeit der einzige Streiter des Königs war, stellte sich die Frage, wer für die Krone eintreten sollte. »Wer soll gegen ihn kämpfen? Werden sie nach Sin MacAllister schicken oder nach Draven von Ravenswood?«
»Das war auch Heinrichs erster Gedanke«, meinte Val ernst. »Bis Cyrils Bruder ihn daraufhinwies, dass Simon von Ravenswood einer der besten Freunde von Stryder ist. Draven würde Stryder genauso wenig umbringen wie Stryder ihn.«
»Und Sin ist ein persönlicher Freund Heinrichs«, überlegte Christian. »Heinrich würde nie riskieren, ihn in einem Zweikampf gegen Stryder zu verlieren.«
Jetzt war es an Rowena, die Stirn zu runzeln. »Wer bleibt dann noch?«
»Überlegt doch mal«, sagte Val zu der Gruppe. »Wer ist der Einzige auf diesem Turnier, den Stryder absolut nicht töten könnte?«
»Einer von uns?«, schlug Swan vor.
Val schüttelte den Kopf.
»Kit?«, versuchte es Swan erneut.
»Damien St. Cyr«, stieß Christian hervor.
Rowena sog zischend den Atem ein. Damien St. Cyr war der jüngere Bruder der Königin von Frankreich und ein Mann von ungeheurem Reichtum und großer Macht. Sie wusste, dass er sich ebenfalls hier aufhielt, doch da er äußerst menschenscheu war, hatte sie ihn, ebenso wie der übrige Königshof, noch nicht zu Gesicht bekommen.
»Wer ist das?«, wollte Nassir wissen. »Das ist keiner von uns.«
Christian fuhr sich erregt durch das dichte blonde Haar. »Nein, aber er hätte es sein sollen.«
»Wie das?«
Christian lehnte sich an die Abtrennung, als brauche er etwas Solides im Rücken. »Vor ein paar Jahren, nicht lange nach unserer Flucht, hielten Stryder und ich uns in Hamburg auf, wo ein Turnier stattfand. Plötzlich tauchte Damien dort mit ein paar Männern auf. Stryder wurde weiß wie die Wand. Zwei Nächte später, er war sturzbetrunken, erfuhr ich, warum. Stryder und Damien waren einst enge Freunde, fast Brüder. Stryder war eine Zeit lang bei Damiens Familie in Pflege gewesen, und Damien war mit Stryder, Simon und Raven zusammen, als sie in Outremer in Gefangenschaft gerieten.«
»Warum war er dann nicht mit bei uns?«, erkundigte sich Swan.
»Weil er nicht auf Stryder hören wollte. Statt zu tun, was Stryder sagte, und seine Identität zu verschweigen, hat Damien den Sarazenen erzählt, wer er ist. Sie haben ihn sofort mitgenommen und Stryder hat ihn nie wiedergesehen. Jedenfalls nicht bis zu jenem Abend in Hamburg.«
»Welche Identität?«, wollte Nassir wissen.
»Er ist der Urenkel von Wilhelm dem Eroberer«, beantwortete Rowena seine Frage. »Seine Schwester Alix ist Königin von Frankreich und sein Neffe Henri ist der Herzog von Blois, Champagne und Troyes. Ganz zu schweigen von der unwichtigen Tatsache, das Henri mit der Tochter von Eleanor von Aquitanien und König Louis von Frankreich verheiratet ist.«
Zenobia runzelte die Stirn. »Das ist ja furchtbar kompliziert. Für mich klingt das fast so, als wäre er der Sohn seines eigenen Bruders.«
Nassir schüttelte den Kopf über Zenobias Bemerkung. »Gibt es überhaupt irgendein Königshaus, mit dem er nicht verwandt oder verschwägert ist?«
»Meins«, sagte Christian.
»Seid Ihr sicher?«, meinte Zenobia. »Ihr wisst, dass Eleanor und Louis auf Kreuzzug ausgingen und dass Euer Vater Franzose war.«
Christian legte grübelnd den Kopf schief. »Andererseits ...«
Nassir hielt eine Hand hoch, um die beiden von weiteren dynastischen Erörterungen abzuhalten. »Zurück zum
Thema, meine Dame, verehrter Mönch. Warum sollte Stryder sich weigern, gegen den Mann zu kämpfen?«
Christian beantwortete seine Frage. »Weil Damien zwei Brandzeichen der Sarazenen trägt, auf jedem Wangenknochen eins.«
Zenobia erbleichte.
Nassir fluchte.
»Was für Brandzeichen?«, erkundigte sich Rowena. »Niemand hat je Damiens Gesicht gesehen. Er zeigt sich nie unverhüllt in der Öffentlichkeit.«
»Ich habe ihn gesehen«, verkündete Swan. »Einmal, als er im Training seinen Helm verlor. Es ist eine Art Schriftzug auf Arabisch, aber ich konnte es nicht lesen.«
»Es ist das Zeichen für einen Sklaven«, erklärte Zenobia leise.
»Aye«, stimmte Christian zu. »Damien hasst Stryder wie die Pest. Er gibt ihm die Schuld dafür, dass wir in Gefangenschaft
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