Nacht ueber den Highlands
unser Mörder eine Frau und nicht ein Mann ist?«
Zenobia erschrak. Ein Ausdruck jähen Begreifens huschte über ihre Miene. Ohne ein weiteres Wort fuhr sie herum und lief mit langen Schritten aus der Burg.
Rowena eilte ihr hinterher. »Zenobia?«
Zenobia schien sie gar nicht zu hören. Mit ausgreifenden, zornigen Schritten rannte sie weiter. »Was sind wir doch für Narren!«, schimpfte sie. »Warum sind wir nicht schon früher darauf gekommen?«
»Dann habe ich also Recht?«
»Aye, Rowena, so wird es sein. Es wäre nur logisch. Wer sonst kann sich so leicht Zutritt zum Zelt eines
Ritters verschaffen und ihm die Kehle durchschneiden? Einer Frau würde es nicht schwer fallen, einen Mann zu täuschen. Das Letzte, was er erwartet, wäre ein Anschlag auf sein Leben.«
Rowena hätte jubeln können, andererseits wurde ihr regelrecht übel. Sie hatten so viel kostbare Zeit mit der Suche nach dem Falschen verschwendet!
Ihr schauderte bei dem Gedanken, dass irgendeine Hofdame, ein Mitglied des Adelshauses, für solch schreckliche Taten verantwortlich sein könnte.
Zenobia hielt erst inne, als sie die Männer auf dem Turnierplatz aufgetrieben hatte. Nassir, der nun wie einer von Stryders Mannen gekleidet war, stand dort mit Christian und Swan zusammen. Nassir und Swan waren ganz verschwitzt und sahen aus, als hätten sie sich vor Christians Auftauchen im Schwertkampf geübt.
»Unser Täter ist eine Frau«, verkündete Zenobia ohne Umschweife in das Gespräch der Männer platzend.
Christian runzelte die Stirn.
»Was?«, fragte Swan entsetzt.
Nassir stieß etwas hervor, das wie ein arabischer Fluch klang.
»Rowena hat mich darauf gebracht«, erklärte Zenobia.
Swan erholte sich genug von seiner Verblüffung, um den Gedanken mit einem verächtlichen Schnauben abzutun. »Unser Mörder soll eine Frau sein?«
»Wem fiele es leichter, uns im Schlaf zu ermorden?«, bemerkte Christian ruhig.
»Dieser Zettel«, fügte Nassir hinzu. »Vergesst nicht, was darauf stand. >Es sind nicht alle heimgekehrt<. Cyril gehörte zu jenen, die in den Sondertrakt geschickt wurden. Wisst ihr noch, was er in jener Nacht sagte?« »Dass es dort keine lebende Seele mehr gäbe«, sagte Christian mit bleischwerer Stimme. »Die Männer sagten, alle wären entweder tot oder fort.«
»Was für ein Sondertrakt?«, erkundigte sich Rowena.
Swan war es, der ihre Frage beantwortete und damit ein namenloses Entsetzen in ihr hervorrief. »Das war der Zellentrakt, in dem die Sarazenen ihre Huren hielten.«
»Sie waren keine Huren«, fauchte Christian mit zornrotem Gesicht. »Das waren die gefangenen Europäerinnen und die Knaben.«
Rowena presste die Hände auf den Mund, um die jäh aufsteigende Übelkeit niederzuringen. Tränen traten ihr in die Augen. »Sie wurden nicht befreit?«
Die Männer schienen noch schockierter als sie selbst zu sein.
»Jetzt wünschte ich, ich hätte Cyril eigenhändig umgebracht«, zischte Christian.
Nassir verzog den Mund. »Warum ist nicht einer von uns noch mal nachsehen gegangen?«
»Weil wir alle Angst hatten, erwischt zu werden«, erinnerte ihn Zenobia. »Der Älteste von euch war kaum zwanzig. Ihr wart selbst noch Knaben.«
»Trotzdem«, beharrte Christian mit schwerer, schuldbeladener Stimme. »Einer von uns hätte nachsehen müssen, als sie allein zurückkamen.«
»Wir haben ihnen geglaubt«, meinte Swan. »Aus welchem Grund hätten sie sie dort lassen und uns anlügen sollen? Außerdem zählte jede Sekunde, und wir hatten alle schreckliche Angst.«
»Was wir auch tun, Stryder darf nichts von dieser Sache erfahren«, unterbrach Nassir.
Rowena runzelte die Stirn. »Warum nicht?«
Alle blickten sie an, und da fiel ihr plötzlich das Versprechen ein, das Stryder jenem Jungen in der Nachbarzelle gegeben hatte.
»Mein Gott, der Junge war doch nicht etwa einer aus jenem Trakt?«, fragte sie mit erstickter Stimme.
Sie nickten.
Nassir holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. »Er würde sich das nie verzeihen.«
»Nein«, sagte Christian. Er blickte auf, denn in diesem Moment kam Val auf sie zu.
»Wir haben ein Problem«, verkündete er, sobald er die Gruppe erreicht hatte.
Swan verdrehte die Augen. »Noch eins? Als ob wir nicht schon genug von der Sorte hätten.«
»Was ist?«, fragte Nassir, ohne auf Swan einzugehen.
»Es soll ein sogenanntes Gottesurteil werden. Stryder muss seine Unschuld in einem Zweikampf auf dem Turnierplatz beweisen.«
»Und was ist so schlimm daran?«, wollte Swan
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