Nacht ueber den Highlands
Witwenmacher: Was wäre gewesen, wenn deine Mutter deinen Vater ebenso geliebt hätte wie er sie? Das solltest du dir mal einen Moment lang vorstellen. Eine Ehe, in der jeder für den anderen sein Leben geben würde. Eine Liebe bis in den Tod.«
»Hältst du so etwas für möglich?«
»Sieh dir nur Simon an. Er und Kenna sind glücklich. Das hast du mir selbst erzählt.«
Es stimmte. Aber wie er Rowena zuvor schon gesagt hatte, war es zu früh, um ein endgültiges Urteil zu fällen. Wer weiß, ob sie morgen noch glücklich wären?
Gar nicht zu reden von der Tatsache, dass sich Simon durch seine Heirat von der Bruderschaft zurückgezogen hatte. »Simon hockt jetzt nur noch in Schottland und ist uns zu nichts mehr nütze.«
»Ach ja?« Zenobia zog eine Braue hoch. »Und was ist mit den Jünglingen, die ihr ihm schickt? Wenn Kenna und Simon nicht wären, wenn sie ihnen nicht helfen würden, sich wieder an ein Leben in Freiheit zu gewöhnen, dann würden diese Knaben nie wieder in die Gesellschaft, in ihre Familien zurückfinden. Mir scheint, er dient eurer Sache damit besser als zuvor, als er noch an deinem Rockzipfel hing.«
Stryder schwieg nachdenklich. Aber es gab noch mehr zu berücksichtigen. »Leider ist das alles nicht so einfach, wie es bei dir klingt. Wenn ich Rowena heiraten würde, dann wäre ich nicht mehr nur für meine, sondern auch noch für ihre Ländereien verantwortlich. Heinrich würde mich bestimmt nicht mehr fortlassen. Ich habe jetzt schon Probleme, von ihm die Erlaubnis zu bekommen, meiner Wege zu gehen. Als Oberherr von beiden Besitztümern dürfte ich England bestimmt nicht mehr verlassen.«
»Nun, was ist schon einfach im Leben?«, meinte Zenobia ruhig. »Außerdem lohnt nur das wirklich, worum man kämpfen muss. Aber kämpfe nicht zu lange, Stryder, denn es mag sein, dass du irgendwann als Verlierer dastehst. Hast du je daran gedacht, wie du dich fühlen würdest, wenn du erleben müsstest, wie die Frau, die du liebst, einem anderen gegeben wird? Wenn sie dann ihm und nicht mehr dir gehörte?«
Stryder blickte Zenobia wie ein Mondkalb hinterher. Nein, ein solcher Gedanke war ihm noch nicht gekommen.
Er konnte ihn nicht ertragen, konnte kaum atmen.
»Rowena wird keinen anderen heiraten!«, rief er Zenobia hinterher, was seine Wunde mit einem schmerzhaften Pochen quittierte.
Zenobia streckte noch einmal den Kopf ins Zelt. »Halte ruhig an diesem Glauben fest, ich werde dich dann trösten, wenn sie einen anderen heiratet.«
In diesem Moment hasste er seine Freundin beinahe für ihre Worte. Er warf sein Kissen nach ihr und drehte sich empört auf die Seite, fest entschlossen, ihre Worte so schnell wie möglich zu vergessen.
Rowena würde ihre Liebe nie verraten, indem sie einen anderen nähme. Dafür war ihr ihre Freiheit viel zu kostbar.
Aber wenn Heinrich sie nun dazu zwang?
Wenn sie sich in einen anderen verliebte?
Diese Worte hingen über ihm wie der drohende Weltuntergang. Es wäre möglich. Ein anderer könnte auftauchen und um sie werben. Ein Dichter, ein Poet. Einer, der bei ihr bleiben und ihre gemeinsamen Kinder mit ihr aufziehen würde.
Dieser Gedanke zerriss ihn fast.
Aber wenn er es recht bedachte, lag die Freiheit, sich ihren Gatten selbst zu wählen, ganz allein in seiner Hand. Er würde das Turnier gewinnen, daran gab es keinen Zweifel.
Aber der Sängerwettbewerb ...
Wenn du verlierst, wird sie dich für immer hassen ...
Würde sie wirklich?
Konnte er das riskieren?
Stryder wälzte sich unruhig hin und her, während Herz und Verstand miteinander rangen. Es war durchaus möglich, dass er nicht gewann. Es gab viele weit begabtere Sänger als ihn. Schließlich wäre es nicht seine Schuld, wenn ein Besserer gewänne, oder?
Könnte ihm Rowena das vorwerfen?
Gib sie frei.
Stryder fluchte. Aye, er würde sie freigeben. Man brauchte ja nur zu sehen, wie durcheinander er jetzt schon war, dabei kannten sie einander kaum. Das Letzte,
was er gebrauchen konnte, war eine Frau, die ihm nicht mehr aus dem Sinn ging, die jeden anderen Gedanken in den Hintergrund schob.
Wie zum Beispiel die Tatsache, dass da draußen noch ein Killer frei herumlief. Den es zu fassen galt, bevor er wieder zuschlug.
Aquarius schlüpfte flink ins Zimmer. Lautlos. Niemand außer seinem Opfer war da, sie saß allein vor ihrer Frisierkommode und kämmte sich das lange blonde Haar. Summend betrachtete sie sich im Spiegel.
Sie war eine Schönheit, das musste er zugeben. Mit üppigen, anmutigen
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