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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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öffnete die Tür.
    Die Suite war etwa genauso groß wie ein normales Abteil, hatte einen rostbraunen Teppich, beigefarbene Wände und die gleichen blauen Polster mit dem Sternenmuster wie der Salon. Am gegenüberliegenden Ende des Raums befanden sich zwei Kojen. Auf der einen Seite standen eine Couch und ein niedriger Tisch, auf der anderen Seite ein Hocker, eine Frisierkommode und ein Spiegel. Auf jeder
    Seite gab es je zwei Fenster. Mervyn stand mitten im Raum, sichtlich überrascht von ihrem Anblick. Mrs. Lenehan war nirgends zu sehen, aber auf der Couch lag ihr grauer Kaschmirmantel. Diana knallte die Tür hinter sich zu und sagte: »Wie konntest du mir das antun?«
    »Was antun?«
    Die Frage ist berechtigt, dachte sie bei sich. Wieso bin ich eigentlich so wütend? »Alle Welt kriegt mit, daß ihr die Nacht gemeinsam verbringt!«
    »Mir blieb doch gar nichts anderes übrig!« protestierte er. »Es gab sonst keine Plätze mehr.«
    »Ja, verstehst du denn nicht? Man wird uns auslachen! Als wäre es nicht schon schlimm genug, daß du mir gefolgt bist!«
    »Was geht mich das an? Über einen gehörnten Ehemann lacht sowieso jeder.«
    »Aber du machst alles nur noch schlimmer! Du hättest dich mit der Situation abfinden und das Beste draus machen können.«
    »Du solltest mich eigentlich besser kennen.«
    »Ich kenn‘ dich nur allzu gut – deswegen wollte ich ja unbedingt verhindern, daß du mir folgst.«
    Er zuckte die Achseln. »Tja, das hat eben nicht geklappt. Um mich auszutricksen, mußt du schon ein bißchen früher aufstehen.«
    »Und du bist einfach nicht intelligent genug, um zu begreifen, daß für dich der Zeitpunkt gekommen ist, sich diskret zurückzuziehen.«
    »Ich habe nie behauptet, daß Nachgeben meine Stärke ist.«
    »Was für ein Flittchen ist das überhaupt? Sie ist verheiratet – ich habe ihren Ring gesehen!«
    »Sie ist Witwe. Und was gibt dir überhaupt das Recht zu dieser verdammten Überheblichkeit? Du bist schließlich auch verheiratet und verbringst die Nacht mit deinem Angebeteten.«
    »Wir sind jedenfalls in zwei Einzelkojen in einem öffentlichen Abteil untergebracht – nicht in einer kuscheligen kleinen Suite für Hochzeitsreisende!« Sie unterdrückte ihr schlechtes Gewissen, als ihr unwillkürlich einfiel, daß sie eigentlich mit Mark ein Bett teilen wollte.
    »Aber ich habe kein Verhältnis mit Mrs. Lenehan«, erwiderte Mervyn gereizt. »Während du deine Unterhöschen schon den ganzzen verfluchten Sommer über für diesen Playboy hast fallen lassen, nicht wahr?«
    »Sei nicht so vulgär«, zischte Diana, obwohl ihr klar war, daß er nicht ganz unrecht hatte. Nicht anders war es gewesen: Sobald sie in Marks Nähe gekommen war, hatte sie so schnell wie möglich alles von sich geworfen, Höschen inklusive. Es stimmte schon, was Mervyn sagte.
    »Wenn es schon vulgär ist, es auszusprechen – wie schlimm ist es dann erst, es zu tun«, sagte er.
    »Ich war wenigstens diskret – ich bin nicht damit hausieren gegangen und habe dich nicht gedemütigt.«
    »Da bin ich mir gar nicht so sicher. Wahrscheinlich wird sich herausstellen, daß ich der einzige Mensch in Manchester und Umgebung war, der von deinem Treiben keine Ahnung hatte. Ehebrecher sind nie so diskret, wie sie glauben.«
    »Ich verbitte mir diesen Ausdruck!« protestierte sie. Das Wort beschämte sie.
    »Wieso denn nicht? Das bist du doch.«
    »Es klingt abscheulich«, sagte sie, ohne ihn dabei anzusehen.
    »Sei lieber dankbar, daß Ehebrecherinnen bei uns nicht mehr gesteinigt werden wie in der Bibel.«
    »Ein furchtbares Wort.«
    »Dein Tun sollte dich beschämen, nicht das Wort.«
    »Du bist so verdammt rechtschaffen«, erwiderte sie matt. »Einen Fehler hast du wohl noch nie begangen, oder?«
    »Dir habe ich es jedenfalls immer recht gemacht!« gab er wütend zurück.
    Sie verlor die Geduld. »Zwei Frauen sind dir bereits weggelaufen, und in beiden Fällen warst du natürlich völlig unschuldig. Ob du dich wohl jemals fragen wirst, welche Fehler du gemacht haben könntest?« Das saß. Er packte sie an den Oberarmen, schüttelte sie und fuhr sie an: »Ich habe dir alles gegeben, was du wolltest!«
    »Aber meine Gefühle interessieren dich nicht die Bohne!« schrie Diana. »Die waren dir immer gleichgültig. Und deswegen habe ich dich verlassen.« Sie stemmte die Hände gegen seine Brust, um ihn zurückzustoßen. In diesem Augenblick ging die Tür auf, und Mark kam herein. Im Schlafanzug stand er da, starrte von einem zum

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