Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
sie ihm nicht begegnet war. Aber Peter mußte sich mit ihm getroffen und das Geschäft dort abgeschlossen haben, während er scheinheilig so tat, als kaufe er Schuhe ein. Und Nancy hatte nichts geahnt. Als sie daran dachte, wie leicht sie sich hatte täuschen lassen, packte sie die Wut auf Peter und Nat, hauptsächlich aber auf sich selbst.
    Das Telefon in der Zelle läutete, und sie griff nach dem Hörer. Heute hatte sie mit den Verbindungen offenbar Glück.
    »Hm?« fragte Mac anscheinend mit vollem Mund.
    »Mac, ich bin es, Nancy.«
    Er schluckte den Bissen hastig hinunter. »Gott sei Dank, daß du anrufst. Ich habe ganz Europa nach dir abgesucht. Peter will …«
    »Ich weiß, ich habe es soeben erfahren«, unterbrach sie ihn. »Wie sieht es mit dem Preis aus?«
    »Ein Anteil an General Textiles plus siebenundzwanzig Cents für je fünf Blacks-Anteile««
    »Großer Gott, das ist ja geschenkt!«
    »Bei deinen Erträgen ist es nicht so wenig …«
    »Aber der Substanzwert ist viel höher!«
    »He, ich bin doch nicht gegen dich«, sagte er sanft.
    »Entschuldige, Mac. Aber ich bin so wütend.«
    »Verständlich.«
    Sie konnte seine Kinder im Hintergrund streiten hören. Er hatte fünf, alle Mädchen. Auch das Radio und ein pfeifender Kessel waren zu hören.
    Nach einem Moment fuhr er fort: »Ich stimme dir zu, daß das Angebot zu niedrig ist. Es berücksichtigt die gegenwärtige Gewinnspanne, nicht jedoch Substanzwert und zukünftiges Potential.«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Da ist auch noch was anderes.«
    »Sprich.«
    »Peter wird nach der Übernahme Blacks noch fünf Jahre die Firma weiterführen. Aber für dich gibt es keinen Job.«
    Nancy schloß die Augen. Das war der grausamste Schlag. Ihr wurde fast übel. Der faule, dumme Peter, den sie in Schutz genommen und gedeckt hatte, würde bleiben; und sie, die die Firma über Wasser gehalten hatte, würde fliegen. »Wie konnte er mir das nur antun?« sagte sie. »Er ist mein Bruder!«
    »Tut mir leid, Nancy.«
    »Danke.«
    »Ich habe Peter nie getraut.«
    »Mein Vater hat sein ganzes Leben in den Aufbau der Firma gesteckt!« rief sie. »Es darf einfach nicht geschehen, daß Peter das alles zerstört!«
    »Was soll ich machen?«
    »Können wir es verhindern?«
    »Wenn du es rechtzeitig zur Vorstandssitzung schaffen würdest, könntest du deine Tante und Danny Riley überreden, den Antrag abzulehnen.«
    »Ich schaffe es aber nicht, das ist ja mein Problem. Kannst du es ihnen nicht klarmachen?«
    »Möglicherweise, aber es würde nichts nützen – Peter kann sie überstimmen. Sie haben jeder rur zehn Prozent, er dagegen vierzig.« »Kannst du denn nicht in meinem Namen abstimmen?«
    »Ich habe keine schriftliche Vollmacht von dir.«
    »Kann ich über Telefon abstimmen?«
    »Interessante Idee… Ich glaube, das hätte der Vorstand zu entscheiden, und Peter würde es mit seiner Stimmenmehrheit nicht zulassen.«
    Sie schwiegen, während sie sich beide den Kopf zerbrachen.
    In dieser Pause erinnerte sich Nancy an ihre Manieren, und sie erkundigte sich: »Wie geht‘s deiner Familie?«
    »Sie ist momentan ungewaschen, noch nicht angezogen und nicht zu bändigen. Und Betty ist in anderen Umständen.«
    Einen Augenblick vergaß Nancy ihre Probleme. »Na so was!« Sie hatte angenommen, daß sie mit dem Familienzuwachs aufgehört hatten, ihre jüngste Tochter war jetzt fünf. »Nach so langer Zeit!«
    »Tja, für mich kam es auch überraschend, obwohl ich – wie ich gestehen muß – nicht ganz unschuldig daran bin.«
    Nancy lachte. »Ich gratuliere.«
    »Danke, allerdings sind Bettys Gefühle ein wenig gemischt.« »Wieso? Sie ist jünger als ich.«
    »Aber sechs Kinder sind eine ganze Menge.«
    »Ihr könnt sie euch leisten.«
    »Ja… Bist du sicher, daß du dieses Flugzeug nicht doch noch bekommst?«
    Nancy seufzte. »Ich bin in Liverpool. Southampton ist über dreihundert Kilometer entfernt, und der Clipper startet in knapp zwei Stunden.«
    »Liverpool? Von dort ist es nicht weit nach Irland.«
    »Erspar mir die Geographiestunde.«
    »Aber der Clipper macht in Irland Zwischenlandung!«
    Nancys Herz setzte einen Schlag aus. »Bist du sicher?«
    »Ich habe es in der Zeitung gelesen.«
    Das änderte alles. Nancy schöpfte wieder Hoffnung. Vielleicht bekam sie das Flugzeug doch noch! »Wo? In Dublin?«
    »Nein, irgendwo an der Westküste. Den Namen habe ich leider vergessen. Aber du könntest es trotzdem noch schaffen.«
    »Ich kümmere mich darum und ruf dich später

Weitere Kostenlose Bücher