Nacht über der Prärie
Schule abgehen! Es kommt nicht in Frage, niemals!« Eve Bilkins wedelte mit einem Schreiben in der Luft. »Ein nichtswürdiger Fetzen, dieses Attest! Man muß Eivie mehr auf die Finger sehen. Sein Fraternisieren mit Indianern widerspricht den Dienstvorschriften. Man sollte ihn einfach versetzen. Er hat uns ja auch eingebrockt, daß der Bandit so rasch zurückgekehrt ist. Mister Shaw hat das herausbekommen. Übers Jahr wäre noch früh genug gewesen, dann hätte unsere Queenie inzwischen Baccalaureat und Kind. Aber ich greife durch; ich lasse sie mit der Polizei holen. Sie ist zwölf Jahre schulpflichtig. Ich hole mir Hawleys Unterschrift!«
»Was ist denn in Sie gefahren, Eve! Vielleicht gibt es doch verschiedene Wege. Ich glaube gar nicht, daß der Mann Queenie hindern möchte…«
»Der Verbrecher hat bei Ihnen einen Stein im Brett! Klar! Aber es gibt keine verschiedenen Wege, sondern es gibt nur eine einzige Erklärung! Er tyrannisiert unsere Queenie, sie hat Angst vor ihm. Sie wissen doch auch von den entsetzlichen Verhältnissen auf diesen abgelegenen Ranches. Die junge Frau ist dem Kerl einfach ausgeliefert. Wir müssen sie schützen! Es wird sich ja noch zeigen, wer hier zu bestimmen hat.«
»Aber sicher, Eve. In einer Demokratie hat die Vernunft zu bestimmen. Oder nicht? Ich meine, wenn Queenie das Baccalaureat…«
»Sagen Sie kein Wort mehr, Kate Carson! Sie geht auf die Kunstschule, so… oder so. Und zwar sofort. Keinen Tag länger lasse ich sie in dem Hause des Joe King verkommen. Sie ist schon auf dem Abstieg! Missis Hawley wartet seit Wochen auf das Gegenstück zu dem ›Bild des schwarzen Stiers‹ – sie hat eine hohe Summe geboten. Und was tut Queenie? Nichts. Einfach nichts. Sir Hawley hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß Queenie auf dem Weg ist, ›die begabte und gelehrige Schülerin des Joe King‹ zu werden. Des ›Joe King‹!« Eve Bilkins sprach den Namen mit einer wahren Inbrunst des Abscheus aus. »Das wird verhindert! Wir werden uns den Burschen selbst auch noch einmal kaufen. Er soll zur ärztlichen Kontrolle kommen; er tut es einfach nicht.«
»In dieser Hinsicht können Sie gar nichts machen. Das ist Eivies Sache.«
»Aber der Fall Queenie ist der meine, und ich werde ihn regeln. Sie kann auf der Kunstschule nicht nur ihr Baccalaureat machen. Sie ist dort auf ein weiteres Jahr in einer hygienisch und moralisch einwandfreien Umgebung und als Frau sicher vor den Rücksichtslosigkeiten ihres Mannes. Dem rauschgiftsüchtigen Kerl geht es doch überhaupt nur um… na ja.«
Eve Bilkins nahm das Telefon und meldete sich bei Miss Thomson zu einer Rücksprache beim Superintendent an. Die Sekretärin vertröstete. Sir Hawley sei durch die Folgen der Hitzewelle in einem ohnehin dürren Land sehr in Anspruch genommen. Es mangele nicht nur an Wasser für das Vieh, es mangele auch an Trinkwasser. Die Darmkrankheiten, eine Landplage bei der immerwährenden Wasserkalamität, griffen um sich. Das Hospital sei überfüllt. Die Todesfälle bei Kindern nähmen zu. Die Dezernentin für das Schulwesen möchte sich daher bitte etwas gedulden!
Auf diese Weise kam es, daß Eve Bilkins mit ihrem Anliegen noch einen Tag warten mußte. Aber dieser eine Tag gewann seine Bedeutung.
Es war der Tag, an dem Queenie sich nach Stonehorns Willen entscheiden sollte.
Sie nahm schon am frühen Morgen wahr, daß ihr Mann irgend etwas im Sinn haben mußte, worüber er nicht sprach, und sie fürchtete, daß er sein Wort wahrmachen und weggehen wolle.
Er kümmerte sich nur kurz um die Pferde, die durstig und lustlos umherstanden, ging dann mit seinen gewohnten langen Schritten, aber nur langsam den Hang hinauf und stand oben, als ob er in der Ferne etwas suche oder wittere.
Als er wiederkam, schaute ihn die Großmutter, die sich sonst ganz zurückhielt, direkt und gespannt an.
»Irgendwo muß es schwelen«, sagte er. »Ich rieche es mit dem Wind. Aber es ist noch nichts zu sehen.« Er wandte sich an Queenie, die kaum erwartet hatte, daß ihr Mann mit ihr sprechen werde. »Du hast einen Tag Aufschub. Pack in den Wagen, was hineingeht; ich sattle die Pferde. Vielleicht müssen wir alle weg.«
Als sie nicht einmal einen fragenden Blick auf ihn richtete, fügte er von sich aus hinzu: »Feuer.«
Die Habe der Kings war gering. Die Kleidung, die Decken und die Jagdgewehre ließen sich in dem Kofferraum unterbringen. Die Pistolen nahm Stonehorn an sich. Die bescheidenen Möbel und den Ofen konnte man zurücklassen.
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