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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Gelb der dorrenden Prärie und die schimmernden Berge jenseits des Tales. Die Luft schien in der Hitze zu schwirren. Hoch oben schwebte ein Habicht.
    Queenie nahm die Farbwellen und den Atem der Landschaft in sich auf, aber ihre Gedanken wurden in eine andere Richtung gezwungen. Stonehorn hatte das Jagdgewehr durchgeladen. Auf der Talseite jenseits der Straße standen Isaac und Harold Booth bei dem Schweinestall. Stonehorn nahm die Waffe hoch – mit einer schnellen Bewegung ganz hoch – und drückte ab. Der Schuß krachte und hallte mit Echo durch die Mittagsstille der Prärie. Die beiden Booth schauten herüber. Queenie glaubte ihr Erschrecken zu fühlen. Der Habicht fiel aus den Lüften herab wie ein Stein.
    Stonehorn sprang hinunter und holte sich seine Beute.
    Als er damit zurückkam, malte sich auf den Zügen der alten Frau eine Bewunderung, die dem Jäger nicht zu entgehen schien. Die Großmutter hatte aus ihren Jugendtagen mehr Vergleichsmöglichkeiten für einen Meisterschuß, als Queenie je würde gewinnen können.
    Die Frauen fanden ihre Beschäftigung mit dem Vogel. Die Großmutter wollte den Balg möglichst unbeschädigt haben, um ihn zu präparieren, und sie unterrichtete Queenie in dieser Kunst. Stonehorn ging ins Haus, zog das weiße Hemd aus und nahm sein dunkles. Er lud das Jagdgewehr nach und legte sich dann am Hang ins Gras, die Schußwaffe neben sich.
    Vater und Sohn Booth waren verschwunden.
    Der Nachmittag ging dahin, der Abend kam, die Sterne blinkten auf. Noch immer war der Himmel klar. Keine Wolke zeigte sich, die Hoffnung auf Regen gegeben hätte.
    Queenie stand bei ihrem Nachtlager. Die Großmutter hatte sich schon hingelegt. Stonehorn war noch draußen auf der Wiese geblieben. Da er lange nicht hereinkam und Queenie das Gefühl hatte, daß er die ganze Nacht für sich allein und im Freien sein wollte, legte sie sich zur Großmutter. Die Tür blieb offen. Rings zirpten die Grillen. Hin und wieder stampfte eines der Pferde.
    Die beiden Frauen schliefen nicht.
    Nach Mitternacht, als kühle Luft hereinzuwehen begann, rührte Queenie den Kopf.
    »Großmütterchen!«
    »Nun sprich, Tashina.«
    »Wenn du mir des Nachts von den heiligen Geheimnissen berichtet hast, als ich noch ein Kind war, da sagtest du mir…«
    »Weißt du noch manches?«
    »Ich habe nichts vergessen. Du sagtest mir, daß die Lüge das Ärgste ist… und wer darin blieb, den tötete das Große Geheimnis nach den Gebeten der Männer vom Bunde der Wahrheit.«
    »Das sind die Worte, die ich gesprochen habe.«
    »Nun aber ist keine Kraft mehr da.«
    »Es liegt an uns, Tashina. Wen würdest du für seine Lügen töten lassen?«
    »Harold.«
    Vor Sonnenaufgang endlich schlummerten die Frauen noch eine Stunde.
    Am Morgen ritt Stonehorn mit Queenie die Pferde zu den entfernten Wasserstellen, damit sie saufen konnten, ohne daß schon die Wasservorräte beim Haus dafür angegriffen wurden. Die Lachen im Flußbett waren kleiner geworden, und bald würden sie wohl ganz versickern.
    Auf dem Heimweg kreuzten die Kings die Kieferngruppen. Da Queenie anhielt, nahm auch Stonehorn seinen Schecken zurück.
    »Was wird mit den Pferden im Winter?« fragte die junge Frau. »Könnten wir hier das Schutzdach bauen?«
    Stonehorn schaute ringsum. »Ja – das könnte ich dir noch machen. Es ist wahr.«
    »Ich habe einen Brief geschrieben, Stonehorn.«
    Er wartete ab, was sie weiter sagen werde.
    »Nicht an dich. An den anderen Inya-he-yukan. An den alten Häuptling, dessen Namen deine Mutter dir gegeben hat.«
    »Was du für Träume hast. Er müßte nun, er müßte… mehr als hundert Jahre alt sein.«
    »Vielleicht ist er es.«
    Stonehorn sah sie von der Seite an. »Ich habe also eine Frau, die Briefe schreibt!«
    Der Schecke biß auf die Trense. Die beiden setzten ihren Ritt fort.
    Nach der Rückkehr hockte sich Queenie in die Wiese hinter das Haus. Sie zog die Knie an, stützte die Arme darauf und legte den Kopf in die Hände. So saß sie viele Stunden, und keiner störte sie. Die Großmutter und Stonehorn verstanden, daß sie nachdenken mußte.
    Am nächsten Morgen entdeckten die Kings einen Wagen, der schon in aller Frühe aus Richtung der Agentur unten im Tal entlang fuhr. Stonehorn, der mit Queenie bei der Pferdekoppel gestanden hatte und sich den Schecken zu einem Ritt holen wollte, ging jetzt in das Haus, und Queenie folgte ihm. Er suchte seine beiden Pistolen hervor, die noch voll geladen waren, und nahm eine davon an sich.
    »Lebendig

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