Nacht über der Prärie
es kann sein, daß er darum versetzt wird. Schule ist Pflicht. Willst du deines Mannes wegen zu Hause bleiben?«
»Er möchte mich fortjagen in die Schule!«
»Und? Dann ist es doch gut.«
»Nein. Ich gehe nicht.«
»Tashina! Was für Einbildungen. Komm zu dir! Sonst läßt dich Frau Bilkins noch mit der Polizei holen.«
»Pfui Teufel. Denkt sie vielleicht, daß ich dann malen werde? Ich tue keinen Strich, oder ich schmiere.«
»Tashina!«
Die junge Frau tastete mit den Händen umher. »Wie soll ich es erklären?«
»Versuche es.«
»Ich muß bei meinem Mann bleiben. Er ist krank. Wenn er allein bleibt, wird er nie mehr gesund…«
»Er soll ins Hospital gehen. Dort können sie mehr für ihn tun, als du vermagst.«
Queenie sprang auf, und sie schrie, aber ganz leise und heiser: »Frau Holland! Ihr wißt nichts – nichts. Aber ich weiß es, obgleich es mir kein Mensch erklärt hat. Früher sagten wir Marter und Gift; jetzt sagen sie moderne Methoden und ärztliche Kunst, und sie haben ihm ihre Gifte gespritzt – und nun habe ich ihn – ja, jetzt habe ich ihn so, wie er aus ihren Händen kam – er geht zugrunde, und er wir irgend etwas Furchtbares tun, sobald ich nur fort bin. Wenn nicht noch – nicht noch –, aber er will nicht mehr leben, und ein Indianer, der nicht mehr leben mag, stirbt. Aber ich will ihn nicht sterben lassen –, und er verlangt von mir das Baccalaureat, und ich muß es machen, aber ich kann nicht fortgehen. Und wenn ich jetzt nach Hause komme, muß ich wissen… und Ihr sollt mir nicht die Worte Vernunft und Hospital und Kunstschule sagen, weil das sinnlos ist und weil ich es nicht hören will. Ich bin zu Euch gekommen… und wenn Ihr mir nicht helft…«
Die Frau war blaß geworden. »Tashina, bitte, sei ruhig; es ist ja so einfach. Ich habe nur nicht alles gewußt. Es ist einfach. Du wechselst die Schule und machst das Baccalaureat bei uns hier. In der Tagesschule. In allen theoretischen Fächern. Die Prüfung in der Malerei holst du später nach; irgendwie läßt sich das regeln. Unsere ganze Schule freut sich, wenn du wieder bei uns bist.«
Queenie brauchte einige Zeit, bis sie ganz verstand. »Frau Holland! – Aber wenn die nun doch die Polizei schicken?«
»Das tun sie nicht. Du weißt, ich bin Rektorin seit zwei Jahren. – Komm zu dir, Tashina, du darfst deinem Kind nicht schaden!«
Aus den Augen der jungen Frau liefen langsam die Tränen.
»Ich gebe dir einen Tee, Tashina. Ich rufe deine Großmutter herein, und ihr trinkt ihn hier zusammen. Unterdessen mache ich mich auf und hole mir die Unterschriften.«
Queenie hatte wieder dunkle Flecke auf den Wangen. »Aber sie werden sagen, heute haben sie keine Zeit; es war das Feuer und…«
»… und du machst keine Worte mehr, Tashina, denn du hast genug gesagt, und jetzt fange ich an zu handeln.«
Die große grauhaarige Frau, die eine indianische Lehrerin und Rektorin war, verließ das Haus. Queenie hörte den Motor draußen anspringen.
Queenie hatte nun zu warten. Sie wartete mit Untschida zusammen. Die erste Stunde verging rasch, und der Tee trieb das Herz an, so daß Queenie sich frischer fühlte. Die zweite Stunde war noch eine ruhige Stunde; Queenie legte sich hin. In der dritten und vierten Stunde schwirrte die Unruhe von neuem in ihr auf, und ihr Herz klopfte fast hörbar.
Endlich, um Mittag kam die Rektorin zurück. »Hier«, sagte sie und legte Queenie einen Antrag und seine Bestätigung mit mehreren Unterschriften und Stempeln vor. »Es war aber schwerer, als ich dachte. Hawley hat mir dann geholfen, obwohl ich das nicht erwartet hatte. Aber er möchte deinen Mann ebensowenig allein wissen wie du. Du gehst also jetzt bei uns in die 12. Klasse. In drei Tagen fangen wir an. Mit der Kunstschule hat der Superintendent telefoniert. Der Direktor ist einverstanden, wenn auch schweren Herzens, und er wird das mit dem Ministerium regeln, denn die Kunstschule ist eine zentrale Schule, und du bist eine Art Ausstellungsstück.«
»So viele Schutzmächte«, flüsterte Queenie, noch immer reserviert. »Ich spüre sie im Nacken.«
Dann bedankte sie sich und ging mit Untschida zusammen.
Sie tankte und kaufte im Supermarkt etwas ein. Dabei entwich sie geschickt dem Gesichtskreis der Mutter Booth, die ebenfalls mit dem Korbwagen umherging. Queenie lenkte das Cabriolet noch zur Post aus dem Gefühl heraus, daß in der ›general delivery‹, der allgemein zum Abholen bereit gehaltenen Post, irgend etwas für sie
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