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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Brustbeutel verwahrt. Es war noch immer sehr viel. Die Eltern würden sich freuen.
    Als Queenie frische Luft nicht nur durch den Filter bezog, sondern eingehüllt war von Staub und Wind, von dem Duft vertrockneter Erde und vertrockneten Grases, von einem Hauch wilder Kakteenblüten, wenn auch vermischt mit den Gerüchen der Stadt und der Motoren, da wußte sie auf einmal ebensoviel, wie der Pilot gewußt hatte: es roch nach kommendem Sturm. Am blauen Himmel standen über den ziehenden Wolken unbewegliche Wolkenstreifen, und auf irgendeine Weise war die Atmosphäre gelb.
    Queenie lief durch die Ein- und Ausgangshalle des bescheidenen Flughafens. Unter den wenigen Wartenden fielen ihr drei Gestalten auf von jenem Typ, den sie nicht gerne sah. Obgleich die Kerle still an der Wand lehnten und niemandem Aufmerksamkeit zu zollen schienen, fühlte sich das Mädchen von ihnen beobachtet. Sie wich nicht aus, schlug auch die Augen nicht nieder, sondern verhielt sich, als ob sie nichts Auffälliges bemerkt habe und nichts beabsichtige, als den Flughafen zu verlassen. Aber sie hätte, befragt, jeden der drei schon genau beschreiben können. Der kleinste, ein Weißer, mochte 1,78 m oder 1,80 m groß sein und etwa zwanzig Jahre alt. Er trug blaue Niethosen, wie es allgemein üblich war, und ein braunrot kariertes Hemd dazu, was nicht eben für Geschmack zeugte. Seine Stulpenstiefel waren von billigem Leder, aber reich verziert, sein Cowboyhut war fleckig, der Rand verbogen. Seine beiden Kumpane lehnten ebenso unbeweglich wie er an der Wand. Diese beiden waren Indianer. Ihre Kleidung war genau die gleiche wie die des Weißen, nur in den Farben unterschied sie sich. Sie hatten zu den dunkelblauen Hosen rot-blau karierte Hemden an.
    Noch schlanker und um zwei Handbreit länger, wirkten ihre Figuren schlaksig. Die Haltung der drei war die von Menschen, die herumlungern und lauern. Der Weiße steckte sich eine Zigarette an, als Queenie an ihm vorüberging. In seinen Augen blitzte dabei etwas auf, was das Mädchen beunruhigte. Die beiden jungen Indianer verhielten sich scheinbar völlig gleichgültig.
    Queenie war kein ängstliches Mädchen, doch war sie froh, als sie nach Verlassen der Halle schon den Old Ford ihrer Familie unter den wenigen parkenden Wagen stehen sah. Daheim hatte man also die Nachricht, daß sie mit dem Flugzeug und daher einen Tag früher in New City ankommen werde, rechtzeitig erhalten.
    Der Wagen war eine alte Karre mit alten Reifen, mit hoher Karosserie, mit abgenutzten Bezügen. Er hatte einmal fünfzig Dollar gekostet, und nicht einmal das war er wert gewesen, da er hätte verschrottet werden müssen, wenn der indianische Rancher ihn nicht gekauft hätte. Doch liebte Queenie dieses unansehnliche Gefährt. Der Motor hatte noch nie gestreikt, und der Wagen hatte über furchenreiche Wege oder ganz ohne Weg schon halsbrecherische Touren gefahren. Queenie liebte ihn wie früher ein Indianer das struppige Reitpferd, das zäher war als alle glatt gebürsteten Dragonergäule.
    Am Steuer saß Queenies sechzehnjähriger Bruder. Sie hatte ihn sofort erkannt und war sogleich entschlossen, ihm irgendeinen Schabernack zu spielen, denn er war in sich zusammengesunken und schlief offenbar so fest, daß er nicht einmal das Brummen der Flugzeugmotoren gehört oder bemerkt hatte, daß die Fluggäste aus der Halle kamen.
    Queenie öffnete die Wagentür leise, setzte sich neben den schwarzhaarigen Burschen und stellte ihr Köfferchen auf den Rücksitz. Sie machte es sich bequem.
    Henry schlief weiter.
    Queenie erschrak plötzlich tief. In ihrer Freude, den Bruder zu treffen, mit ihm nun nach Hause zu fahren – und ihm vielleicht einen Possen zu spielen –, in und unter all dem hatte sie ihren Wahrnehmungen nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt; sie hatte sie nicht in Gedanken umgesetzt. Aber jetzt, am Platz neben dem Steuer, konnte sie es vor sich selbst nicht mehr leugnen: Der Bruder roch nach Alkohol. Er schlief offenbar einen sehr tiefen Rausch aus.
    Noch nie hatte Henry getrunken. Queenies ganze Familie gehörte zu der Partei der Nichttrinker auf der Reservation und lag mit den Trinkern in Feindschaft. Wie war es möglich geworden, daß Henry…! Jetzt, an diesem Tag, an dem er den Wagen steuern mußte. Woher hatte er das Geld bekommen? Wer… wer hatte ihn verführt?
    Queenie saß einen Augenblick nicht nur stumm, sondern steif, wie gelähmt, auf dem abgenutzten Polster.
    Den Indianern auf der Reservation war es verboten zu

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