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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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machte, und in der sich auch die Indianer der Slums zuweilen sehen ließen. Vielleicht gewann er dort irgendeinen Anhaltspunkt oder konnte jemanden auf die Spur setzen. Da der letzte der Diebe zu Pferd unterwegs gewesen war, konnte er trotz seines Vorsprunges nicht viel früher als Stonehorn in New City angelangt sein, falls diese Stadt auch sein Ziel war. Der Dieb konnte aber andere Wege benutzt haben als die Autostraße.
    Joe fand den primitiven geräumigen Gastraum erst mäßig besetzt, holte sich an der Theke Mineralwasser und Zigaretten und ließ sich an einem kleinen Tisch in einer Ecke nieder. Die Gaststube füllte sich allmählich und wurde durch die Raucher verqualmt. Die Gäste, die kamen, waren rauhe und kräftige Gestalten; die meisten trugen Cowboyhüte und farbige Hemden. Mit dem Tabakgeruch mischten sich die Ausdünstung der Körper und bald auch der Geruch des Alkohols. Zwei Männer kamen zu Joe an den Tisch und soffen Whisky. In der gegenüberliegenden Ecke fand sich eine kleine Gruppe von Indianern aus den Slums ein. Joe kannte sie; auch Margrets arbeitsloser Mann war darunter. Zwei aus der Gruppe hatten Arbeit, wie Joe wußte, und hielten die anderen offenbar frei. Ein junger Kerl von vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahren gehörte dazu. Er hatte keinen Vater mehr; sein Großvater war ein angesehener Mann gewesen, hatte sich dann verleiten lassen, von der Reservation ohne ausreichende englische Sprachkenntnisse und ohne technische Schulung wegzuziehen, und war, seit Jahren völlig verarmt, durch Mietschulden an die Slums von New City gefesselt.
    Die außerhalb der Reservation lebenden Indianer konnten sich ihren Brandy und ihr Bier so frei bestellen wie jeder Weiße. Sie hatten weder Unterstützung noch Schutz noch Bevormundung zu erwarten. Drei Reservationsindianer, die Joe ebenfalls vom Ansehen kannte, gesellten sich jetzt dazu. Einer davon war ein ehemaliger Mitschüler Joe Kings. Mit irgendeiner Ausrede oder auf irgendeinem Schleichweg mußte es ihm gelungen sein, mit den beiden anderen zusammen der Aufsicht von Vater und Superintendent einmal zu entkommen, um für einen Abend Betäubung zu genießen. Er litt an offener Tuberkulose.
    Joe wollte mit der Indianergruppe im Augenblick noch nichts zu schaffen haben, da sie ihn bei dem nächsten Schritt in seinem Vorhaben nur stören konnte. Er saß still in seiner Ecke, beugte sich vor, um nicht zwischen den anderen herauszuragen, rauchte und beobachtete.
    Er hatte gute Ohren und konnte die abgehackten Gespräche an den nächsten Tischen verfolgen, obgleich die Fülle der Menschen, die sich jetzt schon im Raume drängten, ein allgemeines Gesumme und Gesurre der Stimmen hervorbrachte. – Nach drei Stunden, als es Berauschte und zwei völlig Betrunkene gab, lauschte Joe besonders aufmerksam, denn an einem der Tische, nicht allzu weit entfernt, war von einem Scheckhengst die Rede. Die Männer, die miteinander sprachen, machten, gemessen an der gesamten Umgebung, nicht eben den schlechtesten Eindruck. Joe prägte sich sofort jede Einzelheit ihrer Kleidung und Erscheinung ein.
    »Ich würde es nicht machen«, sagte der eine, »wer weiß, wie es zusammenhängt.«
    »Aber der Hengst ist gut.«
    »Ich würde es nicht machen. Wer weiß, wie es zusammenhängt.«
    »Aber der Scheckhengst ist erstklassig.«
    »Nach dem, was du sagst, könnte es der vom Rodeo sein, vom Rodeo diesen Sommer.«
    »Könnte sein oder auch nicht, aber das wäre einer für Calgary nächstes Jahr.«
    »Wer weiß, wie es zusammenhängt. Ich würde es nicht machen.«
    »Man kann ja die Papiere prüfen.«
    »Ja, prüf die Papiere. Aber genau, und ohne gute Papiere würde ich es an deiner Stelle nicht machen.«
    Die Biergläser, die vor diesen Männern standen, waren geleert, aber eben wurden ihnen frisch gefüllte gebracht, und so konnte Joe sich Zeit lassen. Er wollte sich eine Flasche Coca-Cola holen, und vielleicht konnte er sich damit dann unauffällig an dem Tisch dieser für ihn sehr interessanten Gesprächspartner niederlassen.
    Die Rechnung hätte aufgehen können, doch trat von anderer Seite her eine Störung ein. In der Ecke, in der die Indianer saßen, gab es Geschrei.
    Stonehorn horchte auf und hob den Kopf, um über die andern Tische hinweg besser beobachten zu können. Zwei Indianer stritten sich.
    »Deinem Hund gibst du, was ich nicht zu essen habe«, schrie der eine in seinem Stammesdialekt, so daß kein Weißer ihn verstehen konnte. Es war Margrets Mann. Seit Jahren war

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