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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hat sich bei dem Besuch seiner Verwandten und Freunde abgespielt? Es wurde geschossen!«
    »Ja, Mister Okute hat mit seinen beiden Pistolen dem jungen Goodman, der eine halbe Flasche Brandy hinuntergegossen hatte, zwischen die Füße geschossen, so daß dieser Betrunkene tanzen mußte und kein Unheil anrichten konnte.«
    »Ihr Mann hat auch Pistolen in der Hand gehabt.«
    »Eine Pistole Okutes zum Nachladen. Mein Mann hat keinen Schuß abgegeben.«
    »Wieviel Rauschgiftsucht-Anfälle hat Ihr Mann in den letzten Monaten gehabt?«
    »Keine.«
    »Wie steht Ihre Wirtschaft?«
    »Wir sparen, und nun will mein Mann mit Mary zusammen einen Zuchtstamm Büffel kaufen, die auf den Booth-Weiden grasen können.«
    »Sie sind also nicht knapp mit dem Geld?«
    »Weil wir alles investiert haben, ja. Aber ich kann wohl demnächst mein Ölgemälde ›Tanz in der Nacht‹ verkaufen.«
    »Ihr Mann will zum Rodeo nach Calgary im Sommer?«
    »Ja.«
    »Kennen Sie die Namen Brandy-Lex und John Black and White?«
    »Vom Hörensagen.«
    »Haben Sie einen Anhaltspunkt dafür, wo sich Lex und John jetzt umhertreiben?«
    »Nein.«
    »Hat Ihr Mann versucht, sich Ihrer Feuerwaffen zu bemächtigen?«
    »Nein.«
    »Arbeitet er unregelmäßig?«
    »Nein, regelmäßig.«
    »Gibt es Zeugen dafür außer Ihnen?«
    »Mary Booth und Mister Okute. Mister Haverman und Dave De Corby können sich unsere Ranch ja ansehen.«
    »Was tut Ihr Mann in seiner Freizeit?«
    »Er schreibt und liest.«
    »Ist das wahr?«
    »Ich pflege nicht zu lügen, Ed Crazy Eagle.«
    »Können Sie Bücher nennen, die er liest?«
    »Grammatik, Wörterbuch, über Pferdezucht, über Büffelzucht, über die Geschichte der Indianer, Reisebeschreibungen.«
    »Woher hat er die Bücher?«
    »Über die Schule bekommen.«
    »Bezahlt?«
    »Ja.«
    »Danke, Missis King. Wir bitten Ihren Mann in vierzehn Tagen zu einer Vorsprache. Der Einfachheit halber geben wir Ihnen die Vorladung mit. Wir können uns darauf verlassen, daß Sie sie aushändigen?«
    »Ja.«
    Queenie erhielt das verschlossene Schreiben und fuhr nach Hause. Es war Mittag, als sie heimkam. Stonehorn war bei den Pferden. Sie ging zu ihm hin und reichte ihm stillschweigend, ohne Gruß den Brief des Gerichts.
    Es drängte sie, ihm zu berichten und ihm vor allem zu sagen, daß die zwei Brandy-Schmuggler offenbar gesucht wurden. Aber wie ihr ein Wort auf die Zunge kam, schluckte sie es auch wieder hinunter und würgte dann daran, als ob es sie ersticken wolle.
    Stonehorn öffnete das Schreiben, während Queenie sich schon entfernte. Es las schnell und steckte das Papier in die Tasche. Dann arbeitete er weiter. Seine innere Unruhe stieg, aber nach außen blieb er kalt. Am vierzehnten Tag ließ Queenie den Wagen zurück und bat Okute, sie mit den Pferden bis zum Schulbus zu bringen. Stonehorn verstand und fuhr mit dem Cabriolet zu der Agentursiedlung und dem Gerichtsgebäude. Als er sich meldete, wurde er zu dem alten Präsidenten geführt, bei dem auch Ed Crazy Eagle und Runzelmann saßen.
    »Mister King«, sagte der Präsident. »Wir können Ihnen eine erfreuliche Mitteilung machen. Das Gericht in New City hat zugestimmt, daß wir zwei Bestimmungen Ihrer Bewährung jetzt schon aufheben. Sie können die Reservationsgrenze für legale Vorhaben jederzeit frei passieren, und Sie können für Jagd und Selbstschutz wieder Schußwaffen führen. Wir hoffen, daß Sie sich dieses Vertrauens würdig erweisen.«
    Joe erhielt die beschlagnahmte Pistole zurück.
    »Sie verdanken diese Regelung Mister Haverman und Ihrer Frau«, schloß der Präsident. »Die beiden haben sich sehr für Sie eingesetzt.«
    Joe deutete an, daß er verstanden habe, und ging.
    Während er zurückfuhr, sagte er sich: Was für eine Zusammenstellung! Haverman und meine Frau? Haverman will, daß ich über Land fahren und Büffel kaufen kann. Das ist klar. Er wird sich mit den Fortschritten seiner Ökonomie brüsten. Was Queenie will? Ich weiß nicht.
    Am späten Nachmittag erfuhr Joe von Okute, der mit einem ledigen Pferd zurückkam, daß Queenie nicht mit dem Schulbus zurückgekehrt war. Die Schüler waren beauftragt gewesen, mitzuteilen, daß sie sich in sehr schlechtem Zustand im Krankenzimmer der Schule befinde und noch nicht ins Krankenhaus transportiert werden konnte. Stonehorn sprang in seinen Wagen und fuhr ohne Rücksicht auf mögliche Strafen die von tauendem Schnee bedeckte Straße mit Höchstgeschwindigkeit. Als er in der Schule ankam, war Frau Holland schon nicht

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